Press-Schlag: Eine Liga zieht Bilanz
■ Die Saison 97/98 ist praktisch vorbei
Gerade elf Sekunden war die Winterpause in der Bundesliga vorbei, da hatten sich Abstieg und Titel schon entschieden. Bayerns Elber traf zum 1:0 gegen den HSV, am Ende hieß es 3:0. Damit war klar: die Münchner werden Meister, die Hamburger müssen erstmals in die 2. Bundesliga. Dortmund sowieso, und 1860 erst recht.
Normalerweise sollte man glauben, daß der letzte Spieltag einer Saison der bedeutendste ist, aber nicht so in diesem Jahr. Da herrschte große Übereinstimmung, daß die jeweilige Partie des 21. Spieltages, dem ersten des Jahres 1998, „ganz eminent wichtig“ (Toni Polster), „ungemein wichtig“ (Jürgen Röber) sowie „richtungsweisend“ (Wolfgang Sidka) sei. Am drastischsten drückte es Dortmunds Präsident Gerd Niebaum aus. „Entscheidend für die gesamte Rückrunde“ nannte er das Match beim VfL Bochum, das dann mit einer 1:2-Niederlage endete. Worte, die ihm vermutlich bis in seine gräßlichsten Alpträume folgen werden.
Ziehen wir also Bilanz und destillieren wir aus den verschleierten Reden der Beteiligten die jeweilige Saisonbilanz heraus. „Die Situation ist sehr bedrohlich“, sagt HSV-Präsident Uwe Seeler – was, in Umgangssprache übersetzt, ein klares Eingeständnis des vollzogenen Abstiegs darstellt. Ebenso deutlich die Resignation der Dortmunder, bei denen mit dem Sousa-Verkauf die Planung für die zweite Liga begonnen hat. „Wir müssen uns der Situation stellen, daß es ums Überleben geht“, sagt Torhüter Klos. Mit anderen Worten: Nichts wie weg! Nicht weniger deutlich Werner Lorant von 1860: „Ich weiß nicht, ob Sie 'ne Krise haben. Ich nicht.“ Danke, abgehakt.
Die Gruppe der Geretteten (Köln, Bochum, Hertha) geht nahtlos in die jener Teams über, die nicht vom Uefa-Cup reden, also dort spielen werden. „Kein Mensch bei uns spricht vom Uefa- Pokal“ (Funkel, Duisburg). „Von höheren Zielen zu sprechen, ist verfrüht“ (Bosz, Rostock). „Auf den Uefa-Cup lassen wir uns noch nicht ein.“ (Bode, Bremen). Den Gedanken an die Meisterschaft aufgegeben haben der VfB Stuttgart (Fredi Bobic: „Wir können doch nicht sagen, jetzt ist alles aus.“) und Schalke 04 (Olaf Thon: „Wir haben gezeigt, daß wir mit einer Spitzenmannschaft mithalten können. Das war unser Ziel.“)
Nur zwei Klubs sind nicht bereit, sich in ihr Schicksal zu fügen: Kaiserslautern (Ciriaco Sforza: „Noch sind wir nicht auf fremde Hilfe angewiesen.“) und Borussia Mönchengladbach. „Noch“, behauptet Christian Hochstätter, „haben wir 13 Spiele vor der Brust“. Doch wozu? Viel besser wäre es, die Sache einfach abzubrechen und Berti Vogts mit der Vorbereitung für die WM beginnen zu lassen. Aber vielleicht ist die ja auch schon entschieden. Matti
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