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Morgen, 14.30 Uhr zur Revolution!

■ Ein offener Brief an alle

„Frankreich pennt, Deutschland brennt,“ hat Angelika Beier („Der Funke ist übergesprungen“, taz vom 24.1. 98) irgendwo gelesen. Und ich stelle mir einen Graffiti-Sprayer vor, der resigniert, ausgelaugt und kampfesmüde von der letzten Hausbesetzung der Welt seine Abschiedsgrüße hinterläßt.

Dabei heißt die Schlagzeile selbiger taz-Seite: „Arbeitlose gehen vor die Arbeitsämter“. Friedrich Küppersbuch droht, drei tazen zuvor (Schlagloch), es könnte mal jemand auf die Idee kommen, eine Verbrauchergewerkschaft zu gründen. Die Gewerkschaften nämlich, die wir derzeit haben, so John S. Mehnert in taz-mag vom 24.1. („Die an den Fleischtöpfen sitzen...“) richtig, scheinen sowieso nur noch ihrer selbst wegen aktiv. Ganz anders Christoph Schlingensief („Sind wir auf Sendung? Sind wir noch da?“, taz vom 15.1. 98), meine Hochachtung, der doch beweist, daß nicht nur französische Intellektuelle sich „einmischen, in Dinge, die sie gar nichts angehen“ (J.-P. Sartre/taz).

Wau, denk ich, und: Jetzt geht's los! – und etwas später dann, ernüchtert: Iss doch alles Kacke. Ich nicke euphorisch zustimmend, bloß weil wieder mal geschrieben steht, was ich tagnächtlich beim Bier und unter Freunden so palavere. Was wirklich fehlt: die Konsequenz! Die Kontaktadresse der Verbrauchergewerkschaft i.G. von Küppersbusch, die Tourdaten der Schlingensief-Aktionen, Mehnerts neue „Neue Heimat“...

Das Wissen allein darüber, daß Deutschland pennt, und vor allem warum es pennt, verbreitet soviel sagenhaften Optimismus, daß ich mich, soziologisch nachweisbar und wissenschaftlich exakt begründet, auf der sicheren Seite weiß, sofern ich nur mitte-links im Bett schlafend liegen bleibe. Ich kann mich natürlich auch an der taz- Serie zur „Intellektuellendämmerung“ beteiligen und mich das nächste Jahrzehnt über fragen: Wer ist das – Ich?

Wer aber Helmut Kohl verabschieden will, sollte nicht erst warten, bis er weg ist! Will sagen: Jetzt aktiv werden, jenseits kluger Sprüche, die wir einander zuwerfen, während wir die taz im Sitzen lesen. Sofern die taz im Rahmen ihrer Leserbrief-Seite ein Forum hierfür zuläßt, biete ich Mitmusiker und mich als erfolgverwöhnter (sag' ich jetzt mal so) Sänger deutschsprachiger Liebes- u.a. Lieder preiswert bis kostenlos an, derartige Abgesänge auf eine unsägliche Zeit zu unterstützen (Gemeinnützigkeit ist Pflicht!). Kontakt über Kunstverein „White Pig“ e.V., Bad Frankenhausen, Stichwort „h.n. & das folk'isse pendel“, Tel./Fax: (034) 671-79 484. Heiko Naumann, Köln

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