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Next Stop NaganoZeit des Lobens

■ Zu Beginn der Olympischen Spiele üben sich die Sportführer der Welt in Harmonie

Bevor heute nacht Olympia eröffnet werden konnte, war erst und wieder einmal noch die Zeit des Lobens, des Beschwichtigens und des Lavierens gekommen – IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch hielt noch schnell seine vorolympische Audienz ab. Dabei ging es vor allem um drei Themen. Die Australier haben auch im verschneiten Nagano nichts anderes im Kopf als Schwimmen, die US-Amerikaner interessiert der olympische Frieden und der Irak, und die Niederländer haben es immer noch nicht verwunden, daß ausgerechnet ihr infantiler Thronfolger in den Kreis der Olympier aufgenommen wurde. Samaranch hatte für alle ein tröstendes Wort parat. Natürlich müsse schärfer gegen Doping vorgegangen werden, aber der Schwimm-Weltverband Fina habe „großartige Arbeit“ geleistet. Natürlich sei der Frieden wichtig, aber Präsident Clinton wisse sicher, was er tue, denn er sei „ein herausragender Politiker“. Hübsch formuliert, immerhin. Und der Prinz von Oranien sei ein „großartiger Freund des Sports“.

Was niemand bestreitet. Aber daß man damit gleich ins IOC kommt! Eine demokratischere Auswahl der IOC-Mitglieder hält Samaranch im übrigen nicht für nötig, das derzeitige System genüge vollkommen, denn: „Das sieht man am aktuellen Zustand des IOC.“ Eben. Und dann hub der Grande an, die Organisatoren in Nagano und deren „großartige Arbeit“ über den grünen Tee zu loben. Später am Tag vereinte er die drei Olympia-Fackeln am Central Square zu einer und warf der Bevölkerung ein sehr freundliches „Arigato Nagano“ entgegen. Diese Freundlichkeit hatte er allerdings in Atlanta auch gepflegt, bis er Billy Payne und Konsorten am Ende schwer in die Pfanne haute. Als einziger aus der an Samaranchs Seite versammelten IOC-Exekutive durfte Dick Pound etwas sagen, der Ambitionen auf die Nachfolge des Präsidenten hat. Ob er es denn für richtig hielte, im Falle eines Angriffs auf den Irak spezielle Sicherheitsbeamte für das US-Team einzufliegen, wurde er gefragt. Antwort: „Meine Erfahrung ist, daß wir selten konsultiert werden.“ Dick Pound ist Kanadier.

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Es war zweifellos ein niedlicher Anblick: die deutsche Sportjournalistenschaft in Socken, wie sie am Fuße eines buddhistischen Schreins den Ausführungen von NOK-Präsident Walther Tröger lauschte. Im Deutschen Haus, das sich im shintoistischen Renkouchi- Tempel befindet, sprach Tröger kaum über Olympia und den Sport, sondern fast nur von Stasi, Doping und ZERV. Staatsanwaltschaft, Medien, Gauck-Behörde und DSB-Präsident Manfred von Richthofen bekamen ihr Fett weg, weil sie sich alle am Gerüchtestreuen über ehemalige DDR-Trainer im olympischen Einsatz beteiligt hatten. Offiziell nämlich liege bisher absolut nichts vor. Daher gelte für ihn die Unschuldsvermutung. In juristischer Hinsicht, darf vermutet werden. Die moralische Komponente interessiert weniger im Spitzensport und schon gar nicht vor Olympia. Also hub schließlich auch Tröger an, den Organisatoren Lob zu spenden, denn alle Athleten und Trainer seien begeistert von Nagano.

Außer Katja Seizinger, versteht sich. Aber die hat schließlich einen Ruf zu verteidigen. Anders dagegen Aktivensprecherin Gabi Kohlisch. „Ich konnte mich davon überzeugen, daß unter Leitung von Walther Tröger und Werner Henze diese Spiele in voller Verantwortung organisiert wurden“, erklärte die Ex-Rodlerin. Auch das war hübsch gesagt. Matti Lieske

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