: Schwanger mit Ada Byron King, Gräfin Lovelace
■ „Conceiving Ada“: Lynn Hershmans Porträt der Erfinderin einer ersten Computersprache
„Conceiving Ada“ von Lynn Hershman Leeson erzählt die Geschichte von Ada Byron King, Gräfin von Lovelace. Ada, die Tochter des britischen Dichters Lord Byron, wird heute von vielen Computerfreunden als die Erfinderin der Software betrachtet. Der Film der amerikanischen Künstlerin Hershman Leeson ist eine essayistische Nacherzählung ihres Lebens und zielt unübersehbar auf ihre Kanonisierung als wichtige, von der Geschichte übergangene Erfinderin ab.
Der Plot: Die Wissenschaftlerin Emmy Coer (Francesca Faridany), die auf die Erforschung künstlichen Lebens spezialisiert ist, entdeckt eine Methode, per Computer mit der Vergangenheit Kontakt aufzunehmen, und beginnt mit Ada Lovelace (Tilda Swinton) zu kommunizieren. Es ist nicht nur dieser seltsame Techno-Unfug, der die Filmbiographie von Ada Lovelace problematisch macht. Statt die Budget-Beschränkungen eines Independent-Films zu ihrem ästhetischen Vorteil auszunutzten, versucht Hershman in zentralen Passagen, „Conceiving Ada“ als Historienfilm zu inszenieren, ein Versuch, der spätestens dann komische Züge annimmt, wenn John Perry Barlow, der Cyberguru und ehemalige Rinderzüchter aus Wyoming, einen britischen Gentleman des 19. Jahrhunderts gibt.
Auch sonst lassen Inszenierung wie Drehbuch zu wünschen übrig: Hauptdarstellerin Francesca Faridany ist pampig und geht dem Zuschauer spätestens nach einer halben Stunden echt auf die Nerven. Zum absurden Ende bringt sie Adas Tochter zur Welt: Deswegen auch „Conceiving Ada“, was sowohl „Ada begreifen“ wie „mit Ada schwanger sein“ bedeutet.
Als traditionelles Erzählkino überzeugt „Conceiving Ada“ nicht, und für einen experimentellen Independent-Film ist das Ganze wieder zu konventionell. Dieselbe Unentschlossenheit schadet auch der Charakterisierung von Ada Lovelace. Vorsichtig will Hershman eine zu simple Heroisierung ihrer Protagonistin vermeiden. Doch mit Adas mathematischen Leistungen setzt sich der Film dann nicht allzu detailliert auseinander. Statt dessen werden spekulativ ihr „Doppelleben“ mit Liebhabern, die Drogen und Pferdewetten betont – und damit ist der beknackte deutsche Titel „Leidenschaftliche Berechnung“ leider gar nicht so unpassend gewählt. Tilman Baumgärtel
Forum: Heute, 13.30 Uhr, Kino 7 im Zoo-Palast; 21 Uhr, Delphi; 17.2., 10 Uhr, Arsenal; 18.2., 22.30 Uhr, Akademie der Künste. Am 17.2., 12 Uhr, im Podewil Media- Talk mit Lynn Hershman im Rahmen der transmediale 98
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