■ Querspalte: Ssaublöde Mellungen
Es gibt Tage, die treiben direkt in den Alkoholismus. Vorgestern war so einer. „Betrunkene Radfahrer können den Führerschein verlieren“, berichtete die Agentur ADN um 11.43 Uhr und 13 Sekunden. Aus Erfahrung läßt sich hinzufügen: Latürnich, und alles mögliche andere auch, Schals, Schlüssel, Brillen, Schuhe oder, ungleich schmerzhafter, das Gleichgewicht. In diesem Falle hilft die Meldung von ADN von 11.41 Uhr und 32 Sekunden: „Stürze im Alter enden oft im Pflegebett.“
Sturzfolgen, informiert die Agentur unter Berufung auf das Fachblatt Ärztliche Praxis, gehörten zu den häufigsten Ursachen von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit alter Menschen. Dabei komme es nicht so sehr darauf an, wie oft man auf die Nase falle, sondern wie doll. Als betrunkener Fahrradfahrer – der man mitunter auch hilfs- und pflegebedürftig vor der Kneipentür steht – sind die Chancen da noch ganz gut. Es kann auch viel schlimmer kommen: „Frau rammte gestohlenes Auto – Schwer verletzt ins Krankenhaus“ meldet ADN aus Berlin-Treptow, was darauf hindeutet, daß der zuständige Redakteur auf seinem Weg ins Agenturbüro den Führerschein behielt und lediglich den Verstand auf der Strecke lassen mußte.
Nur zwei Minuten später berichtet AFP von einem Fall offener Tuberkulose im Bonner Kanzleramt: Einer der Hausmeister sei daran erkrankt; die Ansteckung, so erklärt AFP hintergründig, kann beim Sprechen oder durch Anhusten aus nächster Nähe geschehen. Und sowas schicken die Agenturen am Vormittag, ohne Rücksicht auf labile Zeitungsredakteure, die schon die Vorstellung, im Kanzleramt von wem auch immer aus nächster Nähe angehustet zu werden, direkt an den nächstbesten Tresen treibt.
Agenturen sind Menschenfeinde. Ob eigentlich eine Klage eines Redakteurs Erfolg hätte, der viele Stunden später, lallend vor den Ansteckungsgefahren offener CDU warnend, auf sein Fahrrad steigt, geradewegs ein gestohlenes Auto rammt und von den Sturzfolgen geschwächt im Pflegebett endet? Bernd Pickert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen