: „Liebe taz...“Weder Vorzeigejugendlicher noch Marionette
Betr.: Kommentar „Jung ist in“, taz vom 18.3.98
Ein Gespenst geht um bei den Grünen.
So sieht es zumindest die taz. Ein junger Mensch wagt es, für einen Bundestagslistenplatz zu kandidieren. „Süß“, so Oberlehrer Klaus Wolschner, daß er sich auch für regenerative Energien einsetzen will. Da muß doch etwas faul sein!
Der Landesvorstand spricht sich für ihn aus, dann ist ja alles klar: Er wird als jugendliches Aushängeschild „instrumentalisiert für das Problem, das Ältere haben“. Wie kann ein Redakteur, der es noch nicht einmal für nötig befand, mit der Person, über die er schreibt, persönlich zu sprechen, so arrogant seine Meinung kundtun?
Ein „etablierter“Politiker wird ja auch nicht daran gemessen, wer sich für seine Kandidatur ausspricht, sondern daran, was er gemacht hat und was er machen will. Aber hier gilt anscheinend zweierlei Maß. Jung und schon so vorlaut, wo kommen wir denn da hin?
Ich bin weder vom Landesvorstand instrumentalisiert worden, noch ist der Landesvorstand von sich aus an mich mit der Bitte um eine Kandidatur herangetreten. Die Entscheidung hierzu habe ich autonom und von niemandem beeinflußt gefällt.
Sie ist entstanden aus meiner bisherigen Schülervertretungs- und GJI (Grüne Jugendinitiative)-Arbeit sowie aus dem Protest gegen die Castor-Transporte. Begründet habe ich sie mit meinen politischen Ideen und Zielen von der Nutzung der regenerativen Energien bis hin zu der Überwindung der politischen Apathie von Jugendlichen.
Wann werden wir als eigenständig politisch Handelnde akzeptiert und nicht zu Spielbällen von irgendwelchen Erwachsenen degradiert? Ich meine es ernst. Ich habe keine Lust, als Vorzeigejugendlicher für irgendetwas herhalten zu müssen, genausowenig wie ich mich von irgendjemandem dadurch abwerten lasse, daß ich als Marionette von Älteren bezeichnet werde.
Zu guter Letzt: Der Kommentar von Klaus Wolschner wiederholt nur genau jene Vorurteile über das politische Engagement von Jugendlichen, gegen die ich durch meine Kandidatur angehen möchte. Frage an Klaus Wolschner: Warum zum Teufel haben wir denn bloß das passive Wahlrecht schon mit achtzehn Jahren?
Till Stenzel
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