„Muß nicht immer nach oben gehen“

■ Ellerbeker Zweitliga-Handballer stehen vor dem Abstieg, dennoch keine Hektik im Dorfverein

Der Abend hatte hoffnungsvoll begonnen. Der Hallensprecher kündigte jeden Spieler des TSV Ellerbek wie einen Popstar an. Im Vereinsmagazin Sprungwurf wurde erklärt, daß der Tabellenvorletzte der zweiten Bundesliga Nord „kein Wunder“benötige, „um dem Abstieg noch zu entrinnen“.

Knapp zwei Stunden später war die Einschätzung eine andere. Der TSV hatte am Sonnabend 16:17 gegen das abgeschlagene Schlußlicht Angermund verloren – trotz einer 15:10-Führung Mitte der zweiten Hälfte. „Die Mannschaft ist nicht clever genug“, kommentierte ein resignierter Werner Häfele (50), Obmann und sportlicher Leiter.

Nach dem Zweitliga-Aufstieg im vorigen Jahr geht es für die Hamburger Vorstädter wohl prompt wieder runter. Das Aushängeschild der Hansestadt bleibt der TSV Ellerbek dennoch. Knapp 30 Männer-, Frauen- und Jugendmannschaften gehen für den Dorfverein auf Torejagd. „Vielleicht liegt es daran, daß es im Ort keinen Fußballclub gibt“, versucht Häfele die Handball-Begeisterung der 4000-Einwohner-Gemeinde zu erklären.

Die Chancen auf den Klassenerhalt standen von Anfang an schlecht. „Wir sind das Armenhaus der Liga“, verweist Häfele auf den niedrigen Etat. In Ellerbek will man aber den eingeschlagenen Kurs nicht verlassen. „Wir setzen bewußt darauf, daß unsere Spieler aus dem Hamburger Raum kommen.“Notgedrungen Nachwuchsspieler statt teure Profis – im Kader steht kein Ausländer.

Stars sind Kay Germann und Ingo Ahrens, beide ehemals THW Kiel. „Die haben schon in der Jugend für uns gespielt“, erläutert Häfele, früher selbst in der Bundesliga aktiv. Vielleicht sind sie deshalb schon mit „geringen Aufwandsentschädigungen“zufrieden.

Die Vereinsphilosophie stößt nicht überall auf Gegenliebe. „Die Fans und die Presse wollen Siege sehen“, weiß Häfele. Massive Kritik muß sich der sportliche Leiter auch von Uwe Marquardt gefallen lassen, der vor sechs Wochen sein Amt als Manager und Pressesprecher niederlegte. „Es sind keine Verstärkungen geholt worden, der Abstieg war programmiert“, klagt Marquardt. Außerdem vermißt er den unbedingten Siegeswillen im Umfeld des Teams. „Da wird davon gesprochen, daß wir quicklebendigen Handball spielen, obwohl der Abstieg immer näher kommt. So etwas verstehe ich nicht.“

Marquardts Vorwürfe gehen noch weiter: „Obwohl der Zuschauerschnitt höher als erwartet liegt, haben die Spieler ihr Geld verspätet bekommen.“Eine Anschuldigung, die Werner Häfele entschieden von sich weist: „Da muß er von dem Verein gesprochen haben, bei dem er vorher tätig war. Bei uns wird pünktlich bezahlt.“Der zweite Vorsitzende, Peter Behre, teilt Häfeles Auffassung. „Marquardt ist hier gescheitert, weil wir auf der sicheren Seite bleiben wollen.“Das Beispiel des konkursgegangenen Bundesligisten Rheinhausen ist Warnung genug.

Der Kurs für die Zukunft ist klar: „Es muß nicht immer nur nach oben gehen“, ist sich Häfele sicher, den richtigen Weg gewählt zu haben. Zuspruch bekommt er vom Eigengewächs Ingo Ahrens, einem der treffsichersten Zweitliga-Werfer. „Die Vereinspolitik ist in Ordnung“, meint der 27jährige Rechtsaußen, der 1994 mit Kiel deutscher Meister wurde. Eines weiß aber auch Ahrens nur zu gut: „Wenn man langfristig nach ganz oben will, braucht man richtig Kohle.“Die ist aber nicht da. „Wir waren in dieser Saison kein Schlachtvieh, haben viele Spiele nur knapp verloren“, versucht Häfele, die positiven Seiten zu sehen.

Die Mannschaft für die Regionalliga steht bereits. Fast alle Spieler haben per Handschlag verlängert. Ein paar hoffnungsvolle Eigengewächse werden hinzukommen. Und dann geht alles wieder von vorne los. Matthias Wohlrab