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Schöne neue Gen-Welten

■ Gleich fünf deutsche und ein Schweizer Museum wollen zeigen, "was eigentlich Gentechnik ist"

Der Streit um das Für und Wider der Gentechnik erobert jetzt auch die Museen. Ob es sich nun um Novel Food handelt oder um neue, im Labor kreierte Pflanzen, die auf die Äcker gesetzt werden, das Klonschaf Dolly oder um Gentests, die zur Diagnose von Krankheiten genutzt werden können, aber auch für ein „Kind nach Wahl“, die Gentechnologie greift immer stärker und unaufhaltsam in den Alltag der Menschen ein. Ein Entrinnen ist nicht möglich.

Gleich fünf große Ausstellungshäuser haben sich mit dem Projekt „Gen-Welten“ gemeinsam der Aufgabe angenommen, der Welt zu erklären, wie das mit der Gentechnik eigentlich funktioniert. Die „Gen-Welten“ sind ab morgen an fünf verschiedenen Orten, in Bonn, Dresden, Mannheim, München und dem Schweizer Vevey am Genfer See, zu besichtigen. Wer das ungewöhnliche Gemeinschaftsprojekt in Gänze sehen will, muß alle fünf Ausstellungen besuchen. „Wir wollten keine Wanderausstellung konzipieren“, erläutert Martin Schäfer, Direktor des Alimentariums in Vevey, dem von der Nestlé-Stiftung getragenen Museum für Ernährung. „Es sollten fünf unterschiedliche Ausstellungen sein“, berichtet Schäfer, mit einem „einheitlichen Erscheinungsbild, gleicher Gestaltung der Plakate, einem gemeinsamen Buch und vor allem mit einem aufeinander abgestimmten Veranstaltungsprogramm.“

Ansonsten war Arbeitsteilung angesagt: Die einzelnen Museen behandeln das große Thema Gentechnologie unter ihren angestammten Schwerpunkten. So versucht die Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn unter dem Titel „Prometheus im Labor?“ der Frage nachzugehen, „ob der Mensch Leben im Labor erzeugen darf, wie dies Prometheus der griechischen Mythologie zufolge tat, als er den ersten Menschen aus Lehm erschuf“. Prometheus war es aber auch, der Zeus das janusköpfige Feuer stahl und es den Menschen brachte. Das Deutsche Museum in Dresden konzentriert sich auf medizinische Anwendungen und – das liegt nahe – das Alimentarium auf die Erzeugung von neuartigen Lebensmitteln. „Es ist der gemeinsame Versuch, das Museum wieder zu einem öffentlichen Forum für die zentralen Fragen unserer Gesellschaft zu machen“, meint Bernd Busch, Leiter der Bonner Ausstellungshalle.

Entstanden ist die Idee in der Schweiz. Der Direktor des Alimentariums träumte schon lange von einem großen Ausstellungsprojekt. Nach ersten Gesprächen fand er 1994 Unterstützung bei seinen deutschen Kollegen. Ein Beratungsgremium, besetzt mit den zwei Ethikprofessoren Dietmar Mieth von der Universität Tübingen und dem Bonner Ludger Honnefelder sowie zwei Praktikern, die selbst gentechnisch arbeiten, Hans Günter Gassen aus Darmstadt und dem Humangenetiker Peter Propping von der Uni Bonn, erarbeitete das gemeinsame Konzept. Ein doppeltes Ziel sollte mit der Ausstellungsreihe verfolgt werden, sagt Mieth: „Den Besuchern soll plastisch gezeigt werden, was eigentlich Gentechnik ist.“ Und die Ausstellungen sollen dazu beitragen, daß die Bevölkerung in die Lage versetzt wird, Verantwortung für diese Technik mitzutragen.

Mieth sieht „Gen-Welten“ als einen Bestandteil des in unserer Gesellschaft so notwendigen Bildungstransfers. Für ihn ist es eine wirkungsvolle Ergänzung zu dem Projekt „Schule, Ethik und Technik“ an der Universität Tübingen, mit dem der Ethikprofessor versucht, nicht nur die Diskussion über Chancen und Risiken der Technologie in die Bildungseinrichtungen zu tragen, sondern auch deren kritische Reflexion zu fördern. In den Ausstellungsprospekten heißt es dann auch deutlich: „Eine Bewertung des Dargestellten steht nicht im Vordergrund.“ Den von Gen-Kritikern geäußerten Vorwurf, „Gen-Welten“ diene nur der Akzeptanz, weisen die Veranstalter zurück. Nur die wissenschaftlichen Fakten sollen vermittelt werden. So kooperierte die Bonner Ausstellungshalle mit dem Kernforschungszentrum Jülich, Beiträge kamen von fast allen großen, in der Gentechnologie tätigen Unternehmen, von der Bayer AG über Schering bis hin zu Novartis und Monsanto. Das Dresdener Hygiene-Museum erhielt von den Pharmaherstellern knapp eine halbe Million Mark zur Unterstützung, berichtet der Focus. Die Mahner hingegen wurden nicht eingebunden. Weder Verbraucherorganisationen noch Umweltgruppen oder Ökoinstute konnten ihre Vorstellungen in die Konzeption einbringen. Auf ihre Angebote gingen die Veranstalter nicht ein. Wolfgang Löhr

Die Ausstellungen „Gen-Welten“ sind vom 27. März 1998 bis zum 10. Januar 1999 zu sehen:

„Prometheus im Labor“, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Friedrich- Ebert-Allee 4, Bonn; „Werkstatt Mensch“, Deutsches Hygiene-Museum, Lignerplatz 1, Dresden; „Leben aus dem Labor?“, Landesmuseum für Technik und Arbeit, Museumsstraße 1, Mannheim; „Vom Griff nach dem Abc des Lebens“, Museum Mensch und Natur, Schloß Nymphenburg, München; „L'alimentation au fil du gène“, Alimentarium, Museum der Ernährung, Quai Perdonnet/ rue du Léman, Vevey (Schweiz)

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