Antworten auf Letzte Fragen

Sind die Leute so, weil sie so aussehen, oder sehen Leute so aus, weil sie so sind? (14. 3. 98)

Mit Bezug zur Antwort von Jens Müller vom 21. 3. 98: Jens Müller setzt bei seinen statistischen Berechnungen eine stochastische Unabhängigkeit der Merkmale „Aussehen“ und „Sein“ voraus. Nur so können die angewandten Wahrscheinlichkeitsformeln zum Einsatz kommen. Wenn wir annehmen, daß die Wahrscheinlichkeitsverteilungen seiner beiden Koordinatensysteme korrekt sind (25 : 50 : 25 Prozent für langweilig/ normal/verrückt), dann beruhen diese auf den Verteilungen in der Weltbevölkerung, d. h., es sind z. B. 25 Prozent der Menschen verrückt. Die beiden Kurven sind deckungsgleich, weisen also beim Übereinanderlegen keine Unterschiede auf. Dann liegt aber auch die Vermutung nah, daß die Menschen, die in der „Aussehen“- Kurve als „normal“ einzustufen sind, auch für den hohen „normalen“ Anteil in der „Sein“-Kurve verantwortlich sind. Diese Vermutung bedingt (so sie stimmt) eine statistische Abhängigkeit, so daß im Extremfall die Wahrscheinlichkeit, daß ein Mensch, der „normal“ aussieht, auch „normal“ ist, bei annähernd 100 Prozent liegt, auf jeden Fall aber deutlich über 25 Prozent.

Ich konnte einfach nicht mitansehen, wie die armen taz-Leser mit Jens Müller in diese statistische Falle tappen.Martin Stelbrink, Niederntudorf

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Wieso muß Kritik immer konstruktiv sein? (21. 3. 98)

Das ist eine selten blöde Frage!Arno Jauernig, München

Muß sie eben nicht! Wenn nämlich jeder erst mal einen fertig ausgearbeiteten Kritikansatz mit Verbesserungsvorschlägen oder Alternativen anschleppen müßte, dann hätte sich ja noch nie was geändert!Clemens Flach, Oedheim

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Wie herum soll man Klopapierrollen aufhängen: so, daß sie nach vorne abrollen oder nach hinten zur Wand? (14. 3. 98)

Die sehr hilfreichen Ausführungen von Ch. Hobohm zur Abrolltechnik (21. 3. 98) lassen sich durchaus auch theoretisch untermauern. Bedenkt man nämlich den direkten Zusammenhang zwischen Wickelweise und Geschäftserfolg, so geraten die Wandroller durch die mechanischen Begriffe der „Selbsthemmung“ und „Kerbwirkung“ ins Hintertreffen. Selbsthemmung tritt ein, wenn das Hygiene-Tissue gen Wand gezerrt wird und sich dadurch die Lippe besagten Andruckdeckels reibend in die Papierrolle beißt. Die Folge: Es klemmt! Der unbeirrte Wandreißer verwirkt sein besseres Los vollends durch entnervtes Weiterziehen. Denn die Kerbwirkung tut jetzt ihr übriges an den perforierten Stellen. Ergebnis: Es reißt! Und das nicht an der dafür vorgesehenen, sondern an beliebiger Stelle. Man erhält also nutzlose Fetzen unvorhersehbarer Länge. Daher mein Tip für entspannten Stuhlgang: Vorwärtsrollen ist besser!Steffen Staus, Duisburg

Alles hängt davon ab, welchem Grundtyp man angehört. Man unterscheidet Knitterer und Falter. Wenn man sich zum Falten bekennt, ist es vorteilhaft, die Klopapierrolle so aufzuhängen, daß sie nach vorne abrollt, weil sich die einzelnen Blätter so leichter und akkurater an der perforierten Kante abtrennen und zusammenlegen lassen. Ist man dagegen bekennender Knitterer und benutzt lieber eine Papierknäuel, ist es egal, wie herum man Klopapierrollen aufhängt.Alexander Gumbert, Herborn

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Warum sucht man Dinge, die man gerade noch in der Hand hatte, am verzweifeltsten? (21. 3. 98)

Weil man sich noch ehesten daran erinnert, etwas in der Hand gehabt zu haben.Wilfried Böhling, Stade

Weil man bei den anderen Dingen, die man lange vorher in der Hand hatte, nicht nur den Ort, sondern auch deren Existenz vergessen hat.Reinhard Brünner, Reichertshofen

Ein gängiges Mißverständnis besagt, daß der Mensch deshalb seine verschiedenen Wahrnehmungsorgane hätte, um möglichst viele Erscheinungen seiner Umwelt in sein Bewußtsein gelangen zu lassen. In Wahrheit dienen Hirn und Auge dem genauen Gegenteil: Sie schützen uns vor Reizüberflutung. Sie vernichten gleichsam Information. Vereinfacht gesagt ist der Mensch ein System, das mittels 20 Milliarden Nervenzellen einen Informationsfluß von 100 Millionen Bit, der jede Sekunde von den Sinnesorganen eingeht, zu einer Restinformation von ca. 20 Bit pro Sekunde verstümmelt. So gesehen wundert es nicht, daß eine sinnvolle Frage wie „Wo steht eigentlich meine Kaffeetasse?“ zumeist zu überflüssigen Antworten führt wie: „Irgendwo!“ Der Informationsgehalt solcher Antworten liegt bei ein bis zwei Bit, der Wahrheitsgehalt meist noch darunter – das Gehirn wird geschont.

Die spezifische Ausprägung, in der wir an gesuchten Kaffeetassen vorbeirennen, macht einen Großteil unserer wahrnehmbaren Persönlichkeit aus. Praktischerweise vernichtet das Gehirn als erstes die alltägliche, meist selbstverständliche Information. Eine gerade abgestellte Kaffeetasse auf dem Frühstückstisch wird mein Wahrnehmungsapparat deshalb natürlich eher ausblenden als meinetwegen einen direkt daneben in der Butter steptanzenden, grün-weiß gestreiften Elefanten.Claus Vogt, Berlin

Dieses Phänomen gibt einige erhellende Einblicke in die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns: Anscheinend sind die Gedächtniszellen nicht bereit, Informationen, die sie gerade erst aufgenommen haben, z. B. wo man bestimmte Dinge hingelegt hat, sofort wieder preiszugeben. Wenn das Weglegen des Gegenstands schon etwas her ist, ist ihnen die Information, die sie speichern mußten, langweilig geworden, und sie geben sie bereitwillig wieder her.Jens Müller, Kaltenkirchen

Weil sie weg sind.Margot Brünner, Reichertshofen

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Was ist schwieriger: sich Fragen auszudenken oder Antworten? (21. 3. 98)

Die Menschen sind gegenüber neuen Herausforderungen indifferent. Fragen zu stellen heißt, einer Sache gegenüber kritisch zu sein, was zugleich vom Interesse an der Wahrheit von Antworten zeugt. Die heutige Zeit ist jedoch vom Bild der „Gleichgültigkeitsgesellschaft“ geprägt, und wo kein Interesse besteht, wird auch nicht nachgefragt. Hierzulande wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Für mich daher ganz klar: Sich Fragen auszudenken ist schwieriger, als zu antworten. Mahlzeit!Sebastian Schmidt, Berlin

Sich Antworten auf solche Fragen auszudenken ist schwieriger. (Mit Verlaub!)Gerd Neurath, Saarbrücken

Die Menge W der deutschen Wörter ist endlich. Wenn man sich nun die Menge A der möglichen deutschen Antworten konstruiert, ist diese dann natürlich auch endlich, da eine Antwort auch nur aus endlich vielen Wörtern aus W besteht. F sei die Menge aller möglichen Fragen. Auch diese sind aus Wörtern der Menge W gebildet und aus dem gleichen Grund wie bei A endlich. Wie man aus der Grammatik weiß, kann man jede Aussage zu einer Frage umformulieren. Außerdem kann man jede Antwort so umstellen, daß eine Frage herauskommt. Deshalb ist die Anzahl der Elemente von A zumindest kleiner gleich der Elemente von F. Daß die Anzahl der Elemente von F größer sein muß, zeigt folgendes: Es gibt eine Frage x aus F, bei der durch Wortpermutation keine Antwort/Aussage aus A herauskommen kann. Beweis: x = „Wer ist da?“ (Die mögliche Antwort „Da ist wer!“ kann man dadurch ausschließen, daß man als Konstruktionsregel der Menge A aus W „hochdeutsch“ voraussetzt). Damit ist die Anzahl der Elemente aus F größer als die aus A.

Da es also mehr Fragen als Antworten gibt, ist es einfacher, sich eine Frage auszudenken als eine Antwort.Pascal Gienger, Konstanz