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Warten auf eine Viertelsekunde

■ Der etwas andere Studi-Job I: Komparse. Einmal frühstücken in der Daily-Soap

Morgens halb zehn in Deutschland. In den Fabriken arbeitet seit Stunden die Frühschicht. Auch die Unterhaltungsfabriken produzieren schon. Auf dem Studiogelände in Potsdam-Babelsberg laufen die Kameras für eine von RTL produzierte Seifenoper. Eine Cafészene steht auf dem Drehplan: Charlotte hat ihrem Freund ein Ständchen gesungen, jetzt will ein Produzent sie engagieren. Während die beiden diskutieren, folgt die Kamera ihren Bewegungen. Da, jetzt, für eine Viertelsekunde sind sie im Bild: die Komparsen. Sie sitzen an den Cafétischen und bemühen sich etwas, natürlich zu wirken.

Wie bei den Darstellern werden auch bei den Komparsen junge Leute bevorzugt. Schließlich wünschen sich die Werbekunden der Fernsehsender, daß die Daily- Soaps jugendliche Zuschauer mit jeder Menge Taschengeld vor den Fernseher locken. Die Komparsin Inga Mattutat, Studentin der Erziehungswissenschaften, sitzt schon zum zweiten Mal im Studiocafé. Für 100 Mark Tagesverdienst blättert sie ein wenig in der Speisekarte oder unterhält sich flüsternd mit ihrem Tischnachbarn.

Leicht verdientes Geld? Inga ist heute um 5.45 Uhr aufgestanden. Sie hat die Kleiderordnung für Komparsen beachtet: kein Schwarz, Rot oder Weiß, kein Kariert, kein Gestreift. Sie ist nach Babelsberg gefahren, um sich um 7.30 Uhr beim Pförtner zu melden. Dann ist sie in den Komparsenraum gegangen. Mit einem Dutzend anderer hat sie Stunden in dem kleinen Zimmer gesessen und gewartet. Frühestens um 14 Uhr kann sie heute gehen. Im Schnitt springt ein Stundenlohn von 18 Mark heraus. Aber Inga paßt der Job. Früher wollte sie Schauspielerin werden. Jetzt riecht sie wenigstens hinter die Pappkulissen.

Vor eineinhalb Jahren schlüpfte sie in verschiedene Outfits und ließ sich fotografieren. Mit den Bildern ging sie zum Künstlerdienst. Seitdem steckt sie dort in der Kartei. Wenn es mal einen Auftrag gibt, meldet sich die Agentur einen Tag vorher bei ihr. Dann bleibt die Uni sofort liegen.

Michael, Doktorand der Literaturwissenschaft, durfte bei seinem letzten Auftritt in einer Serie sogar einen Satz sagen. Dafür gab es 120 Mark mehr. Wie müssen ideale Komparsen beschaffen sein? „Pünktlich und geduldig“, sagt Anka Suckow von der PR-Abteilung bei RTL: „Vor allem aber dürfen sie nicht hoffen, entdeckt zu werden. Denn als Komparse wirst du am wenigsten gesehen.“ Paul Reinald

Kontakt: Künstlerdienst am Kurfürstendamm 210, Tel.: 884 30 50

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