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Gib dich immer positiv, Friedel!

Trotz des 1:1 in Leverkusen würde es einem Fußballwunder gleichkommen, wenn Dritt-Trainer Rausch Borussia Mönchengladbach noch die Bundesliga erhalten könnte  ■ Von Thomas Lötz

Leverkusen (taz) – Dieses Ding da am Revers, mag Friedel Rausch sich kurz vor dem Fernseh-Live- Interview gedacht haben, sitzt nicht richtig. Schnell noch mal mit der rechten Hand darübergestrichen, den taxofit-Werbeaufkleber wieder auf den Stoff gepappt, und dann war es für den neuen Trainer von Borussia Mönchengladbach genau wie früher, als es nach dem 1:1 bei Bayer Leverkusen aus ihm sprach: „Die Punkte, die wir heute hier verloren haben, holen wir dann eben in Kaiserslautern.“

Der alte Haudegen hat sich also nahtlos wieder eingegliedert in den alten Apparat und damit auch all diese Tugenden übernommen, die einen Trainer in der Bundesliga ausmachen. Ganz vorneweg Gebot Nummer eins: Egal, was sie dich fragen, gib dich in jedem Fall positiv, und Resignation gehört halt überhaupt nicht zu deinem Wortschatz. Denn selbstverständlich weiß einer wie Rausch (58) ganz genau, auf was er sich als Nachfolger von Meier (und Bongartz) seit letzten Mittwoch eingelassen hat, auf nichts Geringeres nämlich als das Unternehmen „Wunder Klassenerhalt“, wie sein Mannschaftskapitän Stefan Effenberg das nennt.

Und tatsächlich, das ist nach dem samstäglichen Gladbacher Auftritt im Ulrich-Haberland-Stadion festzustellen, würde es einem Wunder gleichkommen, wenn der Klub bei noch ausstehenden fünf Spielen die oberste Spielklasse erhalten könnte. Zwar sind es „nur“ noch drei Punkte bis zu einem Nicht-Abstiegsplatz, aber Standards wie „abgerechnet wird am Schluß“ von Manager Rolf Rüssmann helfen dennoch nicht wirklich weiter. Richtiger sieht es da schon Kapitän Effenberg. Der antwortete, angesprochen auf den einen Punkt, fatalistisch: „Das ist natürlich zuwenig. Aber wir müssen leider jede Woche dasselbe sagen.“ Um nur Sekunden später mit leichtem Kopfschütteln zu bekennen: „Wir treten auf der Stelle...“

Und dieses Verharren, das sich in der Tabelle mit dem Halten des vorletzten Platzes gut sichtbar manisfestiert, war genau jene Haltung, mit der Borussia auch auf dem Platz aufgetreten war. Zwar kämpften die Spieler anständig, aber die Angriffsbemühungen, und Bemühungen ist hier wirklich wörtlich zu verstehen, waren schlichtweg jämmerlich. Nachdem Juskowiak (gesperrt) und Villa (verletzt) fehlten, hatte Rausch mit Jörgen Pettersson eine echte Spitze aufgeboten. Zwar mühte sich auch der Schwede redlich, seinen Job zu erfüllen, was ihm mit seinem Ausgleichstor auch irgendwie gelang, aber nachher gestand er sichtlich entkräftet von der ganzen Lauferei: „Zwei Spitzen wären vielleicht besser gewesen.“

Wären sie zweifelsohne, noch besser und wichtiger aber wären ein Sieg und drei Punkte gewesen, auch wenn das bei einer Mannschaft wie Leverkusen, die in 30 aufeinanderfolgenden Bundesligaspielen zu Hause nicht verloren hatte, natürlich schon einem, und hier wiederholen sich die Worte, Wunder gleichgekommen wäre. Aber genau die sind im Abstiegskampf nun mal angesagt und kommen halt nicht von ganz alleine. Sprich: Man muß was dafür tun.

Doch genau an diesem Punkt hinterließ Borussia wirklich alles andere als den Eindruck, daß sich das noch entscheidend ändern könnte. Natürlich zeigten sie sich verbessert. Natürlich gaben sie ihr Bestes. Natürlich hatte Jörgen Pettersson acht Minuten vor Schluß den Sieg auf dem Fuß. Aber das reicht eben nicht.

Also saß Friedel Rausch in der Pressekonferenz, hielt einen Moment inne und sprach: „Wir haben, das weiß die Mannschaft, noch fünf Endspiele.“ In der kurzen Pause freilich, die auf diesen öffentlichkeitswirksamen Satz folgte, verbreitete sich unter den Anwesenden im Raum die Idee, daß der Begriff Endspiel seine eigentliche Bedeutung für Borussia Mönchengladbach längst verloren hat.

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