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■ Die Anderen"Le Monde" (Paris) kommentiert die Wahl Gerhard Schröders zum SPD-Kanzlerkandidaten / "De Telegraaf" (Amsterdam) und "Politiken" (Kopenhagen) schreiben zur Wahl Gerhard Schröders

„Le Monde“ (Paris) kommentiert die Wahl Gerhard Schröders zum SPD-Kanzlerkandidaten: Gerhard Schröder muß zeigen, daß er in der Lage ist, dort Erfolge zu erzielen, wo Bundeskanzler Helmut Kohl gescheitert ist: Er muß einem Deutschland Vertrauen zurückgeben, das noch nicht die Auswirkungen der Wiedervereinigung und der Globalisierung überwunden hat. Er muß die Wähler der Mitte beruhigen, die 1994 ihre Stimmen Kohl gegeben haben, und er muß sich zugleich gegenüber der Parteilinken beweisen. Er bestätigt, daß die Globalisierung eine Chance für sein Land bedeutet, wenn die Bürger sich – als Arbeiter oder Unternehmer – in ausreichender Sicherheit fühlen können.

Seine Rede war sowohl angeregt durch Großbritanniens New Labour als auch durch die französischen Sozialisten. Nachdem er für lange Zeit Vorbehalte gegenüber der Währungsunion hatte, meint der Kanzlerkandidat nun, daß die SPD am besten dazu geeignet sei, zu vermeiden, daß der Euro zum Debakel wird.

„De Telegraaf“ (Amsterdam) schreibt zur Wahl Gerhard Schröders: Fünf Monate vor der Bundestagswahl haben sich die deutschen Sozialdemokraten schon in einen künstlichen Siegesrausch gebracht. Mit viel demagogischer Gewalt wählte der straff inszenierte Parteitag in Leipzig den einzigen Kandidaten Gerhard Schröder offiziell zum SPD- Kanzlerkandidaten. Der beweihräucherte Schröder sprach zwar lange, aber gab eigentlich nicht mehr zum besten als eine rhetorische Version des SPD- Wahlprogramms. Die inhaltliche Armut dieses Programms konnte er dabei kaum verbergen. Nirgendwo nennt die SPD Daten, nirgends legt sie sich fest, und wenn einige Sätze auch wie ein Versprechen klingen, so sind sie doch so listig formuliert, daß sie an Irreführung grenzen.

„Politiken“ (Kopenhagen) schreibt: Nicht nur aus Gewichtsgründen kann es schwer für Gerhard Schröder werden, Helmut Kohl vom Thron zu stoßen. Auch wenn die Arbeitslosigkeit in Deutschland mit zwölf Prozent auf Rekordhöhe gestiegen ist, hat Kohl während seiner sechzehn Regierungsjahre viel erreicht, besonders bei der Wiedervereinigung. Überdies sind die deutschen Wähler notorisch vorsichtig und konservativ. Gegen Kohl sprechen die Arbeitslosigkeit und vielleicht auch die Einführung des Euro. Zweifellos haben die Sozialdemokraten mit Gerhard Schröder den besten Kanzlerkandidaten seit Beginn ihrer Oppositionszeit. Es fragt sich aber, ob er genug Zeit hat, die Wähler davon zu überzeugen, daß er eine moderne und verantwortungsbewußte Politik führen kann, die Wohlfahrt und wirtschaftliche Vernunft zusammenbringt.

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