■ Die Anderen: In der „Berliner Zeitung“ entdeckt Götz Aly in der RAF die Wiedergänger der Naziterroristen / Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt zur Selbstauflösung der RAF / Die „Welt“ will... an den Antiterrorgesetzen festhalten
In der „Berliner Zeitung“ entdeckt Götz Aly in der RAF die Wiedergänger der Naziterroristen: Die RAF war nichts anderes als die blutrünstig wiederholende Farce blutiger Erweckungsutopien des zwanzigsten Jahrhunderts in einer spezifisch deutschen, besonders zähen und hartleibigen Ausprägung. Bei allem Protest lebte auch in den 68er Linken und erst recht in ihrem Spaltprodukt RAF der Antiamerikanismus der Väter, die Versessenheit und Hermetik der großen Idee von der „endgültigen Lösung“ aller Probleme und der Verachtung des Kompromisses. Ebenso das strikte auf Ausmerzen und Vernichtung gerichtete Sortieren der gesamten Menschheit in Kämpfer und Feinde, Freunde und Verräter – die Praxis der SS. Der Genickschuß, dessen sich die Kämpfer der RAF so gern bedienten, stellt sie in die Tradition Heydrichs und Dzierzynskis.
In dem jetzt als politisches Testament an Reuters geschickten Papier schreiben die anonymen Verfasser, daß die kämpfende Truppe „durch alle Härten und Niederlagen hindurch im Gang der Geschichte unkorrumpierbar geblieben“ sei. Das ist die moderne Paraphrase zu Heinrich Himmlers Posener Rede von 1943, in der er sich bei seinen Rassekriegern für den Judenmord, „das nie zu schreibende Ruhmesblatt deutscher Geschichte „ bedankte und ihnen versicherte, sie seien trotz der Schwere ihrer Aufgabe „sauber geblieben“.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt zur Selbstauflösung der RAF: Ist es wirklich ein „Ereignis“, wenn die RAF, wer immer das heute ist, ihre Selbstauflösung bekanntgibt? Ist es gar eine historische Zäsur? Kriminaltechnisch gesehen, ist das RAF- Schreiben wohl „echt“. Aber enthält es mehr als den Text einer politischen Fiktion? Wie groß in Zukunft die Gefahr linksterroristischer Anschläge ist, das hängt nicht von den versprengten Resten der RAF ab. Es sind nach der schrecklichen Blutspur, die sie gezogen hat, nicht ihre Erklärungen, die das Kapitel des „bewaffneten Kampfes“ schließen. Die deutsche Politik sollte nicht durch allzu hörbares Aufatmen den Terroristen eine verspätete Genugtuung bereiten.
„Die Welt“ will trotz RAF-Auflösung an den Antiterrorgesetzen festhalten: Wenn nun einzelne Gesetze überprüft werden, dann sollte dies mit Bedacht geschehen. Denn die Gefahr des Terrorismus – ist nicht gebannt. Längst haben „Feierabendterroristen“ und der „antiimperialistische Widerstand“ die RAF- Nachfolge angetreten. Der Rechtsstaat sollte für künftige Herausforderungen gewappnet sein.
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