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Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

...kann sich offensichtlich immer noch wunderbar tarnen. Oder? Da wird der Popstar George Michael auf einer kalifornischen Klappe erwischt und sieht sich ob der Beweise – Hollywood-like erbracht von strammen US-Bullen, die erst lecker ihren Dödel hinhalten und, kaum schnappt man danach, schon ihre Hundemarke rausholen, um den angeprickelten Homo festzunehmen: Da fragt man sich doch, wer gehört hier eigentlich hinter Gitter? – dazu gezwungen, die Welt via CNN ganz unmißverständlich von seiner Homosexualität zu unterrichten. Und alle kippen aus den Pantinen: Das hätte ich von dem aber nicht gedacht! Der war doch immer so nett!

Haben die Menschen denn nicht hingeschaut? Zum Beispiel bei dem Video zu „Last Christmas“, als George Michael mit Duettpartner noch „Wham!“ hieß. Da springt der aufgeduttelte Sänger durch den frischen Schnee von Colorado wie eine griechische Friseuse, die zum ersten Mal Zorbas gesehen hat: Und niemand will etwas gemerkt haben?! Dabei hat sich der Mann überhaupt nicht getarnt und nicht versteckt, keine falsche Fährte ausgelegt mit einer Sandprinzessin oder jungen Hunden oder dem Standardsatz verklemmter homosexueller Serienstars und Bundespolitiker: „Ich möchte mich noch nicht binden!“ Nein, bei George Michael wollten es die Leute nicht wissen. Und sie wollen es immer noch nicht.

Niemand will wirklich von einem Homosexuellen wissen, daß er homosexuell ist. „Das ist doch reine Privatsache!“ „Ich binde ja auch nicht jedem auf die Nase, daß ich heterosexuell bin!“ „Von mir aus kann jeder nach seiner Fasson selig werden!“ Und wenn das nicht hilft: „Spielen Sie sich nicht so auf!“ Das Repertoire der Hetero- Abwehr ist lang, und jeder Schwule kennt es zum Abwinken. Selbst gewissenhafte Autorinnen müssen sich das anhören: Als unlängst Bascha Mika in ihrer Alice- Schwarzer-Biographie auch auf die Homosexualität der prominenten Feministin einging, machten vor allem Kritikerinnen diese Offenheit der Biographin zum Vorwurf. Wieder mit den altbekannten Floskeln: „Das geht uns nichts an! Das muß jede selbst entscheiden, ob sie darüber reden will!“

Dabei haben die Heteros längst entschieden, daß sie es nicht wissen wollen. Nein! Nicht! Tut es dann doch mal jemand und geht an die Öffentlichkeit, kommen die gleichen Heuchler daher und loben den Mut und die Offenheit und sprechen vom „bekennenden Homosexuellen“. Na, schönen Dank!

Ich warte darauf, daß Rudolf Mooshammer die Contenance verliert, sein Hündchen im Müllschlucker versenkt und sich einem der diversen Talkmaster, die er so gerne besucht, lüstern an den Hals wirft. Daß Michael Jackson seine beiden – strahlendweißen! – Kinder voll Stolz zum ersten Mal im Kindergarten abliefert. Daß Guido Westerwelle für sich und seinen Freund den Trauschein beantragt auf dem Standesamt von Bonn- Bad Godesberg. Dann werden sie wieder raunen und staunen und sich empören darüber, daß sie behelligt werden mit einer Nachricht, die sie wirklich nicht hören wollen. Das ist der Stand der Dinge. Alles andere ist Geplänkel und Geschwätz. Homosexuell sein heißt: Faß mich nicht an! Nimm die Pfoten von meinen Kindern! Mach mir den Clown! Gib mir 'ne Party! Das sind die 90er, kurz vor Schluß.

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