: Aberglaube und Ulk
■ Für Chelseas italienischen Spielertrainer Gianluca Vialli ist das Europacupfinale gegen Stuttgart der Abschluß eines verrückten Jahres
London (taz) – Auch heute wieder, vor dem Finale im Europapokal der Pokalsieger zwischen dem VfB Stuttgart und dem FC Chelsea (20.30 Uhr, ARD), wird Gianluca Vialli nur mit Unterhose und teuren italienischen Schuhe bekleidet zur Massage schlurfen. „Frag mich nicht, warum“, sagt Dennis Wise, Chelseas Kapitän über seinen Spielertrainer, „Luca ist extrem abergläubisch, er macht lauter solche bescheuerten Sachen.“
In einem der ausgefallensten Experimente des internationalen Fußballs versucht der Italiener Vialli (33) der ulkige Spieler zu bleiben, der er immer war – und gleichzeitig ein seriöser Trainer zu sein. Im Februar löste er den überraschend entlassenen Holländer Ruud Gullit als Spielertrainer ab. Nun muß Vialli ein Team führen und gleichzeitig ihre Tore schießen; er muß den Chef unter Männern spielen, die eben noch seine besten Kumpels waren.
Der Beweis, ob Vialli den Job bewältigt, steht noch aus. Taktische Änderungen, etwa mit drei statt zwei Stürmern anzugreifen, mußte er wieder rückgängig machen. Vialli zweifelt, ob er den Posten ausfüllt: „Manchmal denke ich wie ein Spieler“, sagt er. „Wenn wir verlieren, bin ich oft so deprimiert, daß ich nicht ins Training will. Dann muß ich mir sagen: Aber du bist doch der Trainer, der die anderen aufrichten muß.“
Als im Februar das Angebot kam, wollte er nicht ablehnen. Er war stolz, daß Chelsea an ihn dachte. Er selber hätte nie an sich gedacht. „Ich bin zu sensibel. Wenn ich sehe, daß ein Spieler weint, weil ich ihn auf der Ersatzbank lasse, würde ich ihn vielleicht aufstellen. Das geht doch als Trainer nicht“, sagt er. Trotzdem ist der Trainerjob „die größte Sache in meiner Laufbahn“.
Dabei ist seine vermeintliche Schwäche, seine Sanftheit, längst seine Stärke. Vialli wird von seinen Spielern respektiert, teilweise geliebt. Aber: „Er lacht weniger“, sagt Viallis Landsmann, Chelseas Mittelfeldspieler Roberto di Matteo. „Ich vermisse Luca als Freund. Wir gehen nicht mehr zusammen ins Kino oder essen“, weil Vialli befürchtet, in den Ruf zu geraten, er würde einige Profis bevorzugt behandeln. Ronald Reng
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