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■ Urdrüs wahre KolummneGolden Showers

Ach wie langweilig ist doch das Leben für den, der immer Recht behält: Jetzt ist auch bei den Space Park Aktivisten die Erkenntnis gereift, daß ein paar Stelltafeln, Raketenhülsen und Imbisse mit Weltraumnahrung nicht ausreichen, um wesentlich mehr Leutchen ins Gröpelinger Industriegelände zu locken als es Abonnenten von Peter Mosleitners interessantem Magazin in Norddeutschland gibt. Muß also irgendwas Weserparkmäßiges her, um für Lauf und Umsatz zu sorgen, und wenn Bremen-City dabei zur Skateboard-Anlage verödet. Und wenn die Innenstadt-Kaufmannschaft bei ihrer Podiumsdiskussion im Mariott Hotel dem ollen KPS-Kumpel Blumenberg vonner CDU-Wirtschaftsdeputation engegenbarmt: „Hans-Hinrich, wie hast du dich verändert“, dann sei an das Goldene Wort zum Thema Olli Reck vom letzten Freitag in diesen Spalten erinnert: „Alles wegen Geld!“

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Wie man Kreditanträge auf keinen Fall formuliert, wurde im Kleinanzeigenteil des anderen örtlichen Tageblatts am vergangenen Wochenende drastisch vorgestellt: „SOS! Von Privat 3000 DM bei guter Verzinsung gesucht. Wer ist noch nicht Schwein auf dieser Welt?“ Vielleicht kann ja mal jemand unter Chiffre EG-443 E die einschlägige Scheibe von den Prinzen beim Pressehaus abgeben, damit dieser Naivling weiß, wie die Uhren ticken ...

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Gestern also hat Hafenbarkassen-Kapitän Uwe „Uwe“ Beckmeier sein Gesinde zur Schlüsselübergabe in die künftigen Bremerhavener Räumlichkeiten seines Ressorts der langen Wege und Leitungen zitiert und dafür allen Protesten zum Trotz ausdrücklich „Fröhlichkeit“ dekretiert. Nun neigt unsereins zwar stets zu Lachkrämpfen, wenn dieser Onkel Bräsig des Senats irgendwo bedeutende Grimassen zieht und in abgelegten Plateauschuhen von Gerhard Schröder den Staatsmann gibt. Aber wer als Sklaventreiber den Frohsinn befiehlt, dem muß schon mal die rote Karte gezeigt werden.

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Daß die SenatorInnen Borttscheller, Schulte und Wischer jetzt im Schulterschluß „für eine saubere Stadt“ eine Hotline im Kampf gegen das wilde Pieseln unter Tel.: 361 16061 eingerichtet haben, mag man als eine der vielen dusseligen ABM-Projekte dieses Landes belustigt zur Kenntnis nehmen. Sollte dazu aber noch ein Aufruf zur Denunziation der Not-Dürftigen kommen, werde ich es mir nicht nehmen lassen, die nach kurzem Nachdenken ins Gedächtnis gebrachten hohen und höchsten Landespolitiker aus CDU und SPD zu verraten, mit denen sich mein Harnstrahl mal bei irgendwelchen Bierfestlichkeiten an Zeltwänden, Parkbäumen oder Betonmauern kreuzte. Weitere Hinweise werden unter Kennwort „Golden Showers“ entgegengenommen!

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Plötzlich ist es also aus „russischer Beutekunstsammlung“ wieder aufgetaucht, das Linzer Diplom von 1646 zur bremischen Selbständigkeit – und das gerade jetzt, wo das kleinste deutsche Bundesland wegen des notleidenden Finanzausgleiches vorm Exitus steht. Ist es nicht schön, daß Dr. med. Gerhard Postel seinem einstigen Wirkungskreis so die Treue hält und wieder mal das richtige Papier zum richtigen Zeitpunkt aus dem Letraset-Kasten zieht?

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Vermutlich hat so mancher wieder mal vergessen, in dieser Woche des 2. Juni zu gedenken. Des Tages also, als Papa Staat vor über zwei Jahrzehnten auf dem Berliner Kudamm den völlig unschuldigen Benno Ohnesorg erschoß und damit einer ganzen Studi-Generation deutlich machte, daß er nicht nur Herr über's Bafög, sondern auch über Leben und Tod seiner Untertanen zu sein begehrt. Vorbeugend will ich alle Partymacher darauf aufmerksam machen, daß am kommenden Freitag Che Guevara 70 würde: Das ist doch schon mal ein paar melancholische Margaritas wert, zu trinken auf den Rest Willen zur Veränderung, der geblieben ist ... Meint jedenfalls in Hoffnung auf den Realismus des Unmöglichen und trotz alledem

Ulrich „Sancho“ Reineking

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