: Feuchter Jazz zum Wallvergnügen
■ Das Quartett des Bremer New Yorkers Ignaz Dinné was singing in the rain
Ein Vergnügen war es bei dem Wetter am Sonntag abend nun ganz gewiß nicht, durch das „Wallvergnügen“ zu flanieren und dabei mal zu hören, was der aus Bremen stammende Jazzmusiker Ignaz Dinné jetzt wohl so macht. Tapfer traten die Musiker auch bei strömendem Regen auf der Bühne vor dem Wall Cafe auf, und ein paar getreue ZuhörerInnen hörten sich tatsächlich den ganzen, etwa eine Stunde langen Set an. Unter dem Glasdach der Ladenzeile oder dem Dachsims eines Bierwagens konnte man relativ trocken zuhören. Entsprechend bluesgestimmt beobachtete man die vorbeitropfenden Passanten, und so hatte man immer einen optischen, manchmal sehr interessanten, Kontrapunkt zu der Musik (wußten Sie, daß es in Bremen einen Penner gibt, der sich bewegt wie ein König?).
Dinné, der sich vor einigen Jahren ein Stipendium für die renommierte Jazz-Hochschule von Berkeley bei Boston erspielte und sich nach seinen Lehrjahren in New York niederließ, sieht immer noch wie ein netter, ehrgeiziger Gymnasiast aus. Und er spielt auch ein wenig wie ein Musterschüler – kein Streber wohlgemerkt, aber einer, der durch genaues Studium der Stile und Techniken sowie fleißiges Üben ein Meister seines Fachs werden will. Seine Intonation und Phrasierung auf dem Alt-Saxophon sind makellos, und er hat schon das Stadium der Virtuosität erreicht, bei dem die technischen Höchstleistungen so poliert und scheinbar ohne Anstrengung gespielt werden, daß sie nie wie Angebereien, sondern immer musikalisch zwingend klingen. Dinné ist einer von den in den USA gerade sehr modernen Neo-Klassizisten und spielt etwa in der gleichen Liga wie die jungen Amerikaner, die in der Konzertreihe „Rising Stars“ durch europäische Clubs wie unser KITO reisen. Bei seinem Auftritt spielte er Klassiker von Coltrane, Cole Porter und Thelonius Monk. Aber der Höhepunkt des Auftritts war eine von ihm selber komponierte Ballade mit einer wunderschön melancholisch wegschwebenden Coda.
Daß New York immer noch ein kultureller Schmelztiegel ist, wurde durch die Besetzung von Dinnés Band belegt. Mit Sebastian de Krom spielte ein Holländer das Schlagzeug, Bassist Matt Penman kam aus Neuseeland nach New York, und der Pianist Aaron Goldberg ist der einzige Amerikaner in der Band. Er mußte sich mit dem Bar-Klavier abplagen, das bei dem Wetter natürlich in Rekordzeit verstimmt war, aber bei einigen Soli konnte man erahnen, daß er Dinné in dieser Band kongenial ergänzt.
Der Saxophonist ist mit seinem Quartett gerade auf einer kleinen Tour durch Norddeutschland. In Bremen sind sie am Mittwoch und Donnerstag noch einmal im AkademiA in der Dechanatstraße (jeweils ab 21 Uhr) zu hören. Am Samstag spielt die Band um die gleiche Uhrzeit in der Kneipe „Gerken“ (Feldstraße 77). Dann hoffentlich etwas ausführlicher und ganz bestimmt trockener. Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen