piwik no script img

„Der JoJo-Effekt ist da vorprogrammiert“

■ Warum Diätprodukte ungeeignet sind, wenn man abnehmen möchte: Ein Gespräch mit der Ernährungsberaterin Regina Aschmann

Ein Test der Bremer Verbraucher-Zentrale sorgte kürzlich für Aufregung (s. taz vom 14.5., S. 28). Zwei schlanke Mitarbeiterinnen der Zentrale besuchten 24 Apotheken im Bremer Stadtgebiet, gaben an, abnehmen zu wollen und ließen sich daraufhin von den Apothekern beraten. Resultat: 80 Prozent der getesteten Apotheken empfahlen den beiden Frauen die Einnahme von fragwürdigen Schlankheitsmitteln. Die Verbraucher-Zentrale attestierte den Apotheken daraufhin ein miserables Beratungsniveau und stellte ihnen gar „ein Armutszeugnis“ aus. Mit der Ernährungsberaterin Regina Aschmann sprachen wir über die von den Apotheken empfohlenen Diätprodukte und die Frage, auf welche Weise man eher sinnvoll sein Gewicht reduzieren kann.

taz: Welche Mittel wurden Ihren beiden Mitarbeiterinnen im Laufe der Umfrage von den Apothekern bevorzugt empfohlen?

Regina Aschmann, Ernährungsberaterin: Es wurden vor allem Formuladiäten empfohlen. Das sind Nährstoffkonzentrate in Pulverform, die in Wasser aufgelöst und anstelle einer normalen Mahlzeit eingenommen werden. Diese Diäten haben einen niedrigen Kaloriengehalt.

Nimmt man damit ab?

Klar. Zumeist sogar relativ schnell. Man muß sich aber darüber im Klaren sein, daß dieser Effekt nur solange anhält, wie man es durchsteht, diese eintönig schmeckenden Präparate einzunehmen. In der Regel hängen sie einem spätestens nach einigen Wochen zum Halse raus. Kehrt man dann zum vorherigen Eßverhalten zurück, ist die Gewichtsreduktion im Nu wieder dahin. Häufig springt das Gewicht sogar über das Ausgangsniveau vor der Diät. Das ist der berüchtigte Jojo-Effekt, den man ja kennt, wenn man schon viele Diäten ausprobiert hat. Eine dauerhafte Gewichtsabnahme erzielt man mit diesen zudem ziemlich teuren Mitteln aber garantiert nicht. Das ist ein teuer erkaufter Frust.

Was haben die Apotheker noch empfohlen?

Die ganze Palette: Hungerdämpfende und appetithemmende Kapseln und Tabletten, Sättigungskapseln, Ballaststoffriegel.

Alles Präparate, die man Ihrer Ansicht nach mit den gleichen Vorbehalten wie die Formula-Diäten betrachten muß?

Ja, natürlich. Diese Mittel behandeln nur Symptome, niemals die Ursachen der Übergewichtigkeit. Deshalb ist der Frust schon vorprogrammiert, sobald man ohne Verhaltensveränderung wieder zu den alten Gewohnheiten zurücckehrt.

Warum haben die Apotheker dann diese Empfehlungen ausgesprochen?

Das haben wir uns auch gefragt, zumal kein seriöser Apotheker bezweifeln wird, daß diese Präparate nichts bringen, wenn man ernsthaft und anhaltend schlanker werden möchte. Unsere Hoffnung zu Beginn war ja gerade, daß Apotheken, weil sie sich grundlegend unterscheiden von Drogerien und Supermärkten, die die Mittel ja auch verkaufen, gut beraten und empfehlen, diese Mittel nicht zu verwenden. Schließlich bringt die Bevölkerung den Apotheken einen Vertrauensbonus entgegen. Der ist aber wohl, wie unser Test gezeigt hat, nicht unbedingt gerechtfertigt. Vor allem, wenn man berücksichtigt, daß unsere beiden Testerinnen superschlank waren, also ganz offensichtlich nicht der geringste Anlaß für sie bestand, Gewicht zu reduzieren. Solchen Frauen dann auch noch Schlankheitsmittel zu empfehlen, ist nicht nur unseriös, sondern kann in bestimmten Fällen sogar gefährlich sein für die Ratsuchende.

Was ist denn die ernsthafte Alternative zu diesen Mitteln, wenn man abnehmen möchte?

Sinnvolles Abnehmen kann nach unserer Auffassung ausschließlich über Ernährungsumstellung erfolgen. Wir haben ein ausreichend großes Angebot an normalen Lebensmitteln die, in der richtigen Dosierung und Zusammenstellung verzehrt, das Gewicht reduzieren. Natürlich ist das nicht ganz einfach, weil die Erfolge nicht kurzfristig eintreten und es eine Form von Selbstdisziplin verlangt, die nicht immer einfach durchzuhalten ist. Und dann müssen übergewichtige Menschen sich schlicht mehr bewegen. Auch etwas, was nicht leicht fällt. Aber dazu gibt es keine Alternative. Alle Diätpräparate sind für diesen Zweck sinnlos. Ihr Verkauf füllt nur die Kassen der Hersteller und Händler.

Warum greifen dann so viele Menschen zu diesen Präparaten?

Im Grunde weiß jeder, daß die Mittel nichts bringen und eine Verhaltensänderung angesagt ist. Daß sie trotzdem gekauft werden, führe ich auf die hervorragende und aggressive Werbung zurück, mit der sie propagiert werden. Der Werbeetat der Firmen ist ja in diesem Bereich enorm. Und vor allem Frauen, die in der Hauptsache zu den Käufern zählen, sind anfällig für diese Werbung, weil sie sowieso überall ständig mit Schlankheitsidealen konfrontiert werden, denen sie entsprechen müssen, wollen sie als attraktiv gelten. Das ist ein regelrechter Psychoterror, gegen den die Frauen dann eben nicht immer resistent sind. Zu mir in die Beratung kommen nicht selten Frauen, die superschlank sind und trotzdem das Selbstbild haben, sie seien zu dick. Und dann greifen sie irgendwann eben auch zu diesen Diätmitteln.

Fragen: zott

Die Ernährungsberatung der Verbraucherzentrale hat ihren Sitz am Altenweg 4 und ist unter der Nummer 16 07 75 4 zu erreichen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen