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Schwarze Züge - Ich

■ „Die Evolution der Bilder“: Gesammelte Texte und Bilder der Berlinerin Margarete Hahner in der Kunsthalle Bremerhaven

Wo kommen die Bilder her, die uns begleiten? Wie merken wir sie uns? Wann rufen wir sie aus dem Gedächtnis hervor? Und wie verketten wir sie zu welchen Erzählungen? So könnten die Fragen lauten, die sich die in Berlin lebende Künstlerin Margarete Hahner stellt. Die 38jährige malt Bilder, die ihr in Museen oder im Fernsehen begegnen, in einem naiv anmutenden, flächigen Stil und verfremdet dabei die zitierten Motive. Das „Eigene“ – in der jetzt in der Kunsthalle Bremerhaven eröffneten Hahner-Ausstellung – sind vor allem die Verknüpfungen.

Aus 150 Bildern, die – wie sie sagt – „allein nicht funktionieren würden“, hat sie einen Kurzfilm gemacht, eine Bildergeschichte. „Wenn die Sättigungsbeilage in die Sehnsucht fällt ...“ ist der etwas verkrampft-gespreizte Titel, aber der Satz wird im Verlauf des Films ergänzt: „... dann kommt der Sturm“. Schlagartig tobt der Sturm in der Idylle. Es sind Wasser-, Meer- und Strandmotive, die Margarete Hahners Bildwelten beherrschen. Dazu schwarze Lokomotiven, aufeinanderzufahrende Züge, ein Zug auf einem Damm, nackte Frauenschenkel. Das erinnert an Klaus Theweleits „Männerphantasien“, an „Frauen, Fluten, Körper, Geschichte“ und auch an Theweleits Verknüpfung von Sprache und Bildern. Um Sexualität und Gewalt, um Bild und Sprache geht es auch bei Margarete Hahner.

Ihre Bilder erzählen eine Liebesgeschichte, die von einem blutigen Gewaltakt unterbrochen wird. „Liebe tut weh“, spricht eine Kinderstimme über die Bilder und: „Wenn man verliebt ist, dann macht es einen großen Knall.“ Einen Teil der für ihren Film verwendeten Bilder hat Margarete Hahner in der Kunsthalle ausgehängt und sie (wie im Naturkunde-Museum) mit auf die Wände gemalten farbigen Linien neu zu einer anderen Erzählung verknüpft.

Märchen-Motive, Hänsel und Gretel, exotische Reiter und Pferde – sind es Rückverweise auf die Bilder der Kindheit? Sprechen sie von Verletzungen und Verlassenheitsängsten und zugleich davon, daß hier gar nichts authentisch ist – nicht die Malweisen und schon gar nicht die Gefühle?

Im dunklen Nebenraum der Kunsthalle ist eine Ton-Dia-Schau eingerichtet, in der – zu einer Textcollage aus Karl Marx' „Kapital“ und Stefan Zweigs „Reise nach Brasilien“ – Bilder anscheinend wie zu einer Evolution ineinanderfließen, zum „langen Marsch besonders erfolgreicher Kombinationen“. Text und Bild kommentieren sich gegenseitig. Das ist sehr zart und sehr ironisch, und es endet mit einem plakativen Schluß: Das Licht fällt nach dem letzten Dia und dem letzten Satz „Endlich bildet sich der Mensch“ auf ein Gemälde an der Seitenwand: Ein Menschenaffe ist dazu sehen, seine Haltung halb aufgerichtet.

„Schlüsselbilder“ nennt Margarete Hahner diese Ikonen aus dem individuellen Museum der Imagination. Sie habe sie im Halbbewußtsein aufgenommen, und irgendwann müsse sie sich an ihnen „abarbeiten“. Sie ist selbst ein wenig verwundert über die Ergebnisse, sie fragt sich, ob das, was sie macht, nicht „eine Art Selbstanalyse“ ist. Es ist ein Plädoyer für einen offenen und spielerischen Umgang mit der Bilderflut, die erst dadurch zu etwas eigenem wird. Wohin die Reise geht und welche Züge diese Künstlerin später besteigen wird, mag noch völlig unklar sein. Zunächst befreit sie sich von den Bildern, die sie umstellen.

Und ihr dabei zuzusehen und zuzuhören, ist lustvoll.

Hans Happel

Margarete Hahner, „Die Evolution der Bilder“, bis zum 12. Juli in der Kunsthalle Bremerhaven

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