Analyse: In der Sackgasse
■ Nigerias neuer Präsident steht ratlos vor Abachas Hinterlassenschaft
Eines hat sich in Nigeria seit dem Tod des Militärdiktators Sani Abacha verändert: Die Fußballnationalmannschaft spielt besser. Noch zu Monatsanfang war sie Gespött der Nation – jetzt gewinnt sie bei der WM jedes Spiel und läßt sich wieder als Star Afrikas feiern.
Das ist aber auch alles, was unter dem neuen Präsidenten General Abdulsalam Abubakar bisher in Nigeria anders geworden ist. Der völlig überraschende Machtwechsel an der Spitze der herrschenden Militärjunta hat die Konfusion und Lähmung in der Politik eher verstärkt.
Abacha hatte 1995 einen Übergang zur Demokratie angekündigt, der am 1. Oktober 1998 mit der Übergabe der Macht an einen gewählten Präsidenten seinen Abschluß finden sollte. Aber im Laufe der Jahre wurde das Übergangsprogramm immer weiter darauf zugeschnitten, Abacha selbst in einen gewählten Präsidenten zu verwandeln. Damit geriet der versprochene Übergang zur Demokratie zu einer Sackgasse. Zuletzt stellten die fünf legalen Parteien des Landes nicht einmal eigene Präsidentschaftskandidaten auf, sondern nominierten Abacha als ihren gemeinsamen Kandidaten für die Wahlen am 1. August. Die Opposition drohte daraufhin, die Regierung und sogar die ganze Bundesrepublik Nigeria nach dem 1. Oktober nicht mehr anzuerkennen. Als Abacha starb, stand das Land kurz davor, mit Vollgas gegen die Wand am Ende der Sackgasse zu knallen.
Der Tod Abachas hatte die Wirkung einer Vollbremsung. Aber mit Abacha starb auch sein „Übergangsprogramm“. Bis zum Wahltermin am 1. August sind es sechs Wochen – zu wenig, um ernsthafte Präsidentschaftskandidaten zu finden. Abubakar steht vor einem Scherbenhaufen.
Die fünf legalen Parteien haben Abubakar jetzt gemeinsam aufgefordert, die unter Abacha abgehaltenen Wahlen zu annullieren und den Termin für eine Machtübergabe an einen gewählten Präsidenten zu verschieben. Damit traten die Parteien der von verschiedenen Seiten erhobenen Forderung entgegen, die Regierung solle sie einfach alle fünf auflösen und von vorn anfangen. Abubakar, in bester Abacha-Tradition, hat zu diesen Überlegungen bisher nichts gesagt. Immerhin tut er Dinge, die Abacha nicht tat: Er läßt prominente politische Gefangene frei und unternimmt Sondierungen für Gespräche mit politischen Gegnern. Diese Schritte aber sind kein Beweis für ein politisches Konzept. Sie unterstreichen nur seine Ratlosigkeit.
Nigeria steckt in der Sackgasse fest. Den großen Knall hat das Land vorerst wohl vermieden, aber ein Ausweg ist bisher auch nicht in Sicht. Genau solche Situationen des Stillstands sind es, die Nigerias Militärdiktaturen bisher immer so dauerhaft gemacht haben. Dominic Johnson
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