: Entspannter Blick in die Zukunft
■ Torhüter Jose Luis Chilavert, auch beim 3:1 gegen Nigeria der Rückhalt Paraguays, will erst im Achtelfinale Frankreich stoppen und dann bei Olympique Marseille Andreas Köpke verdrängen
Toulouse (taz) – 1,88 Meter groß ist der Kerl und 93 durchtrainierte Kilo schwer. Ein wahrer Brocken also, den man folglich kaum übersehen kann. Doch das Entscheidende ist der Blick – mit seinen Augen fängt José Luis Chilavert die Menschen ein. Der 32jährige Torhüter aus Paraguay, in den vergangenen drei Jahren zweimal zum weltbesten Mann zwischen den Pfosten gekürt, gehört auch bei der WM in Frankreich zu den herausragenden Persönlichkeiten. Daß sein Team das Achtelfinale erreichte, ist in erster Linie sein Verdienst. Nicht nur, daß er bei den Nullnummern gegen Bulgarien und Spanien den Kasten sauber hielt, nicht nur, daß er sich beim 3:1 gegen die nigerianische „1B-Elf“ nur einmal überwinden ließ. Der wahre Wert Chilaverts für seine Mannschaft zeigt sich in der Art, wie er die Vorderleute dirigiert – wie er sie anfeuert. Oder wie er schon mal sein Refugium verläßt und sie in der Nähe der Mittellinie zusammenstaucht.
Vom „besonderen lateinamerikanischen Element“ spricht in diesem Zusammenhang Paraguays brasilianischer Trainer Paulo Cesar Carpeggiani und zählt die Stärken des Keepers auf: „physische Präsenz, Dynamik, Temperament, Selbstvertrauen, Glaube an sich selbst“. Daß der Torwarthüne gelegentlich auch einen Hang zum Exzentrischen hat, daß er Gegenspieler, Reporter oder gar den reaktionären General und Präsidentschaftskandidaten Oviedo mit den Fäusten bearbeitet, all das hat ihm nicht geschadet.
In Frankreich ist José Luis Chilavert die Freundlichkeit in Person. Das Achtelfinale sei bereits die Erfüllung des paraguayischen Traumes, weshalb man am Sonntag entspannt gegen Gastgeber Frankreich antrete. Keineswegs chancenlos sieht er sein Team, und weil man nie ohne Wünsche sein soll, träumt er nun „von einem Tor gegen die Franzosen“. 41 Treffer hat der Torhüter Chilavert bislang erzielt, vier davon für die Nationalmannschaft. 28 waren Elfmeter, zwölf waren Freistöße, und German Burgos, dem derzeitigen Torhüter Nummer zwei der Argentinier, hat er die Kugel einmal aus dem Spiel heraus und aus 58 Meter Entfernung ins Netz gesetzt.
Mit einer starken Leistung gegen die Equipe Tricolore will sich Chilavert auch den französischen Fußballfans empfehlen. „Weil ich nächste Saison aller Wahrscheinlichkeit nach bei Olympique Marseille spielen werde“, verriet er in Toulouse. Die Verhandlungen seien weit fortgeschritten, ließ er wissen, und der Hinweis, dort stehe doch der deutsche Nationaltorhüter Andreas Köpke zwischen den Pfosten, konnte ihn nicht belasten. „Mit dem sind sie offenbar nicht so zufrieden“, sagte Chilavert. Ralf Mittmann
Paraguay: Chilavert – Ayala – Sarabia, Gamarra – Arce, Cardozo, Enciso, Paredes, Caniza (57. Vegros) – Brizuela (79. Rojas), Benitez (58. Acuna)
Zuschauer: 33.000; Tore: 0:1 Ayala (1.), 1:1 Oruma (11.), 1:2 Benitez (59.), 1:3 Cardozo (86.)
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