: Die CSU-Generäle treten gern in die Fettnäpfe
■ Mit ihren Generalsekretären hatte die CSU wenig Glück. Und auch der potentielle Nachfolger von Bernd Protzner demontiert sich schon selbst. Eine Rück- und Vorschau auf das Wirken der Weiß-Blauen
Nürnberg (taz) – Wadlbeißer sollen sie sein, eben Männer fürs Grobe, die dem jeweiligen Parteivorsitzenden den Rücken freihalten und auch Unpopuläres beim Volke antesten sollen. Der Amtsinhaber Bernd Protzner und sein Vize Joachim Herrmann – der eine hatte einer SPD-Tolerierung das Wort geredet, der andere sich für eine bevorzugte Behandlung von „willkommenen“ Ausländern ausgesprochen – erhielten gestern noch einmal Rückendeckung: Der CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Alois Glück, erklärte, er habe die beiden mehrfach intern wie öffentlich gelobt.
Die Verteidigung des Duos kann nicht darüber hinwegtäuschen – die CSU leidet an ihren Generalsekretären. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, von 1978 bis 1983 selbst CSU-General, hatte einst selbst den Maßstab vorgegeben, an dem ein Generalsekretär gemessen werden soll: „In meiner Zeit als Generalsekretär habe ich gelernt, auf das gegnerische Tor zu zielen und keine Eigentore zu schießen.“ In seiner Zeit wurde Stoiber ob seiner politischen Vorstöße das „blonde Fallbeil aus Bayern“ genannt. Er stärkte dem damaligen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß, bis 1953 der erste christlich-soziale Generalsekretär, nach allen Kräften den Rücken. „Ich bin ein 150prozentiger“, lobte sich Stoiber stets selbst.
Genau das wollten alle seine Vorgänger und Nachfolger auch sein, doch sie „protznerten“ sich mehr schlecht als recht durch ihre Amtszeit. Das war schon 1958 so, als Friedrich Zimmermann auf die Idee verfiel, mit einem kleinen Meineid in einer Spielbankenaffäre dem CSU-Konkurrenten Bayernpartei den Todesstoß zu versetzen. Zimmermann hatte doppeltes Glück. Die Bayernpartei zerfiel, und auf eine erstinstanzliche Verurteilung wegen „fahrlässigen Falscheids“ folgte ein Freispruch wegen „verminderter geistiger Leistungsfähigkeit“, bedingt durch „Überfunktion der Schilddrüse“ und „Unterzuckerung des Blutes“. Geistig vermindert leistungsfähig blieb Zimmermann, seither „Old Schwurhand“ genannt, noch fünf weitere Jahre CSU-General und brachte es später noch bis zum Bundesinnenminister unter Helmut Kohl.
Nach Zimmermann kamen Max Streibl und Gerold Tandler zur Generalsekretärsehre. Beide sind längst im weiß-blauen Amigosumpf versunken. Als Stoiber 1983 zum Innenminister aufstieg, mußte Otto Wiesheu ran. Ein kurzes Intermezzo, denn schon sieben Monate nach seinem Amtsantritt verursachte Wiesheu mit 1,75 Promille Alkohol im Blut einen folgenschweren Verkehrsunfall mit einem Toten.
Wiesheus Nachfolger wurde Erwin Huber, jetzt Finanzminister. Statt Affären und Skandale produzierte Huber „klare Richtungswahlkämpfe der bürgerlichen Mitte gegen die neue Kampffront aus SPD, Grünen und PDS“. Der kleinwüchsige Huber war es, der das Konterfei von Karl Marx zur Abschreckung auf die CSU-Wahlplakate drucken ließ. Hubers Wechsel ins Kabinett im Dezember 1994 bereut inzwischen die ganze CSU, denn seitdem amtiert der Kulmbacher Bernd Protzner.
Der bezeichnte mal Frauen als „Risiko in der Politik“, mal verglich er den Krach von Tieffliegern mit dem Lärm einer Bohrmaschine, dann setzte er das DDR- Gefängnis Bautzen mit einem Konzentrationslager gleich. Schon nach drei Monaten im Amt überlegte man sich in der Parteispitze, wie man den Mann, der augenscheinlich kein Fettnäpfchen auslassen konnte, wieder loswerden könnte. Doch es war CSU-Chef Theo Waigel, der Protzner protegiert hatte. Wie sollte man den General stürzen, ohne das mühsam austarierte Verhältnis zwischen Waigel und Stoiber zu stören? Protzner durfte weitermachen. Daß die CSU dem Oberfranken beim kleinen Parteitag in Fürth im April letzten Jahres mit dem Landtagsabgeordneten Joachim Herrmann einen Stellvertreter und Aufpasser zur Seite stellte, überraschte niemanden mehr. Doch Protzner ließ sich davon nicht beirren. Jüngst verhagelte er der CSU den sorgfältig inszenierten Wahlkampfauftakt. Der General überlegte laut, ob man notfalls sogar Gerhard Schröder tolerieren sollte, um eine Große Koalition zu vermeiden. Damit war das Maß voll. „Protzner bleibt bis zur Wahl. Danach sehen wir weiter“, verkündete Theo Waigel. Als Nachfolger wurde der stellvertretende General Herrmann gehandelt. Doch kaum war der Pulverdampf um die Schröder-Tolerierung verraucht, katapultierte sich Herrmann ins Abseits. Sein Vorschlag, die Ausländerämter sollten künftig zwischen „willkommenen Gästen und unerwünschten Leuten“ unterscheiden, hätte er niemals als Parteilinie ausgeben dürfen, hieß es aus dem Umfeld Stoibers.
Damit steigen die Chancen für den Nürnberger Landtagsabgeordneten Markus Söder (31) auf den Posten. Ein Beweis für die dünne Personaldecke der CSU, denn der Chef der Jungen Union, der sich bei seinem Einzug in den Landtag im Herbst 1994 als jüngster Abgeordneter feiern ließ, ist ein Meister der Fettnäpfchen. Seit sich der Jurist und Redakteur beim Bayerischen Rundfunk an einer Initiative zur Verhinderung eines geplanten Flüchtlingswohnheims in seinem Nürnberger Wahlkreis beteiligte, muß er sich des Vorwurfs des Rassismus erwehren. Kein Makel eigentlich für einen gestandenen CSU-Mann, aber Söder, stets im Bemühen, seine Person in den Schlagzeilen zu halten, legte nach. So forderte er, den Eltern, die sich zuwenig um die Erziehung ihrer Kinder kümmerten, einfach das Kindergeld zu streichen. Dann drohte er in Zusammenhang mit der Debatte um die Euro-Stabilitätskriterien mit einem Koalitionsbruch. Schließlich riet er Helmut Kohl, er solle sich aus dem bayerischen Landtagswahlkampf heraushalten: „Der Kanzler kann sich ja um Deutschland kümmern, wir brauchen ihn hier in Bayernn nicht.“ Die Reaktionen der CSU-Spitze reichten von „Einzelmeinung“ bis zu „völliger Blödsinn“. Bernd Siegler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen