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"Aber der Anzug ist ja nichts Schlechtes"

■ Für seine Designarbeit, die Aspekte eines tiefgreifenden Wandels sichtbar macht, der nicht nur die Mode betrifft, sondern Kunst und Gesellschaft ganz allgemein umfaßt, erhielt der Purist Helmut La

Giorgio Armani, Jean Paul Gaultier, Helmut Lang, Yohji Yamamoto und Rei Kawakubo: Sie haben das Erscheinungsbild und den Auftritt des Mannes in den letzten Jahrzehnten geprägt. Dafür wurden die ersteren drei auf der Florentiner Männermodemesse mit dem Premio Pitti Immagine Uomo, die letzteren zwei mit dem Premio Arte e Mode ausgezeichnet. Die Preisverleihung im Rathaussaal des Palazzo Vecchio gestaltete sich als ein Ereignis, das in puncto Feierlichkeit einem päpstlichen Hochamt in nichts nachstand. Ihre kreative Arbeit, so hieß es in der Begründung der Juroren, habe Aspekte eines tiefgreifenden Wandels sichtbar gemacht, der keineswegs nur die Mode betreffe, sondern Kunst und Gesellschaft in ihrer Gesamtheit umfaße.

Mode, so zeigte die emphatische Florentiner Würdigung, wird in Italien problemlos als hohe Kultur verstanden. Abwertende Reduzierung oder verlegene Vorbehalte gegen ihre vermeintliche Oberflächlichkeit, wie sie in Deutschland noch gang und gäbe sind, kennt man nicht.

taz: Herr Lang, was bedeutet diese Veranstaltung?

Helmut Lang: Wir bekommen den Preis als einflußreichste Designer der neunziger Jahre für unseren Beitrag zur neuen Präsentation des Mannes, zur neuen attitude of men. Das betrifft eine neue Geisteshaltung der Männer und eine neue Geisteshaltung der Mode, die Selbstverständlichkeit und Unkompliziertheit zeigt und trotzdem im besten Sinne maskulin ist.

Die neue Haltung betreffend, von der Sie sprechen: Ist es bei den Männern inzwischen tatsächlich angekommen, daß Mode ein Kommunikationssystem darstellt? Haben Sie zu dieser Entwicklung beigetragen?

Sonst würde ich wahrscheinlich nicht hier sein. Ich glaube, daß die Männer heute ein ganz gutes Selbstverständnis für Mode haben. Sie können dabei zum Teil unkomplizierter damit umgehen als die Frauen, weil die Veränderungen bei den Männer zwar auch dramatisch sind, aber viel weniger dramatisch, als das bei den Frauen notwendig ist.

Im Unterschied zu den Frauen gibt es aber diese extreme Trennung zwischen Freizeit und Busineß. Wenn man sich Jelzin, Clinton oder Kohl anschaut, wenn die sich treffen, dann tragen sie Anzug...

Aber der Anzug ist ja nichts Schlechtes.

Nein. Aber wird diese Trennung auch ins dritte Jahrtausend mitgenommen, oder wird sich die vielleicht auflösen?

Ich glaube nicht. Es wär auch schade. Das ist eines der wichtigen Dinge, daß man dieses Gefühl nicht verliert, das ursprünglich einmal für Maßkleidung vorhanden war. Daß formelle Kleidung einfach eine gute Möglichkeit ist, mit sich selbst und dem Körper gut umzugehen – da wo man etwas zusammengefaßt sein möchte. Ich glaube nicht, daß es sinnvoll ist, eine Auflösung der Bekleidungsformen anzustreben.

Sie begrüßen Dresscodes?

Man darf das nicht so begrenzt sehen. Es hat immer einen Code gegeben in der Kommunikation mit Kleidung. Jeder muß sich damit auseinandersetzen. Es ist ein Signal, und es ist auch eine Positionierung – von sich selbst oder der Gesellschaft. Das ist etwas, das gewachsen ist und sich über die Zeit gehalten hat. Ich finde, das sollte bleiben.

Einmal umgekehrt gefragt. Wenn Frauen verstärkt in berufliche Führungspositionen eintreten, wird das eine ähnliche modische Trennung von beruflich und privat zur Folge haben?

Ich glaube, daß die Frauen schon sehr stark im Berufsleben sind. Wichtiger ist es, sich dem Kontext entsprechend gut anzuziehen – was auch immer richtig heißen mag –, als das jetzt so in Kategorien aufzuteilen. Ich sehe das nicht als erstrebenswert an, das Leben nur in Arbeit und Freizeit aufzuteilen und sich dann so ganz uninspiriert zu kleiden. Man muß lernen, mit sich selbst umzugehen und sich so zu kleiden, daß man sich wohl fühlt auch im Umfeld wohl fühlt. Dann ergeben sich die meisten Antworten von selbst.

Wie sieht die Mode im dritten Jahrtausend aus?

Das weiß niemand. Das wär auch langweilig. Da wäre ja die Spannung, was jede Saison als neues Bekleidungsgefühl entsteht, weg.

Haben Sie eine persönliche Vision?

Nein. Es gibt eine natürliche Entwicklung, und die vollzieht sich schrittweise. Sich ein Ziel zu stecken, nimmt Möglichkeiten.

Im Interior-Design erleben wir eine Wiedergeburt futuristischer Formen. Greift das auf die Mode über?

Die große Entwicklung auf diesem Gebiet findet im technischen Bereich statt. Das heißt nicht unbedingt, daß sie auch in der Kleidung stattfindet. Viele alte Vorstellungen von uns, wie die Zukunft aussehen wird, sind heute eingetroffen. Nur in der Kleidung haben sich die Menschen nicht danach gerichtet.

Also auch in Zukunft keine Raumanzüge im Alltag?

Nein, solange es aus irgendwelchen Schutzgründen nicht notwendig ist, wird niemand den Wunsch haben, sich so wie in diesen utopischen Filmen zu kleiden. Es macht keinen Sinn, daher passiert's auch nicht.

Und bei den Stoffen?

Da hat das schon längst stattgefunden. Viele Stoffe kommen ja aus der Raumfahrt, aus dem High- Tech-Sportbereich. Das passiert schon alles.

Gehört dem Ihre besondere Sympathie?

Nein, ganz im Gegenteil. Wir arbeiten im Moment mit ganz traditionellen Stoffen und traditioneller Verarbeitung. Unsere Anzüge werden alle handgefertigt. Es ist also die Gegenbewegung, zu dem, was Sie angesprochen haben. Interview: Nike Breyer

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