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Wand und Boden'ne ganz harte weiche Welle

■ Kunst in Berlin jetzt: Stephanie Jünemann, Albert Oehlen, Joachim Reck

Was ist unter einer Förderkoje zu verstehen? Im Kunstzusammenhang? In Mitte? – Bei konkreter Begehung stellt sich eine solche Förderkoje als winziges Kabuff heraus. Als ein kleiner, blendendweißer fensterloser Raum von genau 1,84 Quadratmetern; der Heizkörper, sagt der Inhaber, der Künstler Ralf Schmitt, ist übermessen. In besagtem Zusammenhang kann aber die Koje nicht nur Raum sein, sie verkörpert auch ein Konzept. Schmitt stellt hier also nicht nur Kunst aus, sondern das Ausstellen selbst. In der Förderkoje wird die Förderung gefördert und gefordert. Was nur funktioniert, weil das Konzept auf dem Raum aufbaut. Immerhin konnte Schmitt in der Besenkammer schon das ganze Programm der Galerie Heinrich Schmidt aus Grenzach-Wyhlen auffahren. Auf einem Bonanza-Rad, das mit TV- Monitor, Einkaufskorb und durchsichtigen Tragetaschen Platz für elf Künstler und ihre Arbeiten bot. Davor hatten Marius Babias und Hans-Ulrich Obrist einen Alibert mit Kleinstexponaten in die Koje gehängt. (Nein, der HUO hatte kein Künstler-Interview im Badezimmerschrank versteckt, oder doch?)

Jetzt gibt es die „wann wo(man) ?how“, die „Einzelausstellung“ von Stephanie Jünemann. Der Titel ist zutreffend. Ein einziges Bild ist zu sehen: An ein mittelgroßes Quadrat stößt ein weißes Resopalrechteck, an das wiederum ein kleines Quadrat ansetzt, das auf einem identischen weißen Resopalquadrat sitzt. Das mittelgroße Quadrat steht repräsentativ für Stephanie Jünemanns Malerei, deren Motivik sich ihrer Methode verdankt. Jünemann mischt klaren Acryllack mit Farbpigmenten, bringt die Masse auf eine Resopalplatte auf, verteilt sie gleichmäßig mit einer Rakel, läßt sie trocknen und legt weitere Schichten auf. Das Resultat sieht in diesem Falle – flapsig gesprochen – wie ein Geschirrtuch aus. Aber es zeigt eben keinen außerbildlichen Gegenstand, sowenig das kleine Quadrat, grau in grau, Badezimmerfliesen repräsentiert. Das Bild baut auf nichts anderem auf als auf der Farbe, deren Organisation und dem Lackglanz. Je nachdem, wie man steht, erscheint die Struktur mehr oder minder plastisch, leuchtend oder matt, fließend oder streng geometrisch. Es spiegelt die Alltagserfahrung wider, in glänzenden Oberflächen, Schaufenstern, Granitfassaden, immer mehr und anderes zu sehen, als im konkreten Bildfeld sichtbar ist.

Bis 31.7., nach Absprache, Tel. 2835837, Marienstr. 28

Eine Förderkoje ist auch die Kunst-Halle , die selbst bei Gefahr der Wiederholung ein merkwürdiges Wunderding genannt werden muß. Nach Zobernig und Genzken wird hier jetzt der dritte Akt eines 80er-Jahre-Revivals (zutage) gefördert – Albert Oehlen und seine neuen großformatigen Computercollagen. „Ist alles so schön bunt hier“ – diese 80er Jahre müssen einem einfach spontan einfallen, kaum daß man die Halle betreten hat: Der Computer, mit dem sich Oehlen zuletzt anfreundete, hat jedenfalls endgültig die Herrschaft übernommen. Sämtliche scheußlichen Billigschriften, die das Ding hergibt und die Namen wie Dom Diagonal, Thunderbird oder Orbit haben mögen, bringt der Künstler irgendwo unter. Großartige Sätze hat er ja genug: „Hinterlasse nur Spuren, wenn du bereit bist, sie wiederzufinden“, oder „Unsere Illusion ist aber die Bewegung“. Aber hallo! Einmal hat er „3 Wörter ins Eis gebügelt“: „Ich liebe Dich“. Sie schmücken einen Print, der einen Waldbrand zeigt, dazu einen edlen Pferdekopf, dem Oehlen jede Menge lilafarbenes Saumzeug umgehängt hat, während eine virtuelle Supertussi aus irgendeinem Grafikprogramm in vollem Galopp in Richtung Feuersbrunst sprintet. Doch, amüsant ist die Sache zweifellos. Mal geht's eher Tendenz Kinderbuch mit Flipper-Delphin, mal mehr in Richtung Kunstgeschichte, Lichtensteinsche Rasterpunkte und De-Chirico-Puppen. Da man der Eröffnung nicht beiwohnte, empfahl es sich, den 90er Jahren adäquat computermäßig bei den alten Freunden aus den 80ern nachzufragen. Rainald Goetz jedenfalls hat die Liebeserklärung so umgehauen (www.rainaldgoetz.de: „Albert: Ich fahr jetzt 'ne ganz harte weiche Welle. Stimmt, und es schaut unglaublich gut aus.“), daß er gleich einen Wettbewerb im deutschen Feuilleton ausrief: „Ich bin mal gespannt, wann der erste vernünftige Aufsatz zu alledem erscheint, wo, von wem geschrieben.“ Tja, an dem Test wollten wir doch nie teilnehmen, oder wie war das noch mal?

Bis 20.9., Di.–So. 12–18 Uhr, Chausseestr. 119/120

Das „alledem“ hat auch bei Joachim Reck vor allem Methode. Seine Tafelbilder bei der Zwinger Galerie sind aus groben gelben, grünen, roten, blauen und schwarzen Rasterpunkten aufgebaut. Für jede Farbe läßt Reck eine Repro anfertigen, die er auf die Leinwand projiziert, um danach den Ort der jeweiligen Farbpunkte zu bestimmen. Sein Motiv sind dörfliche oder kleinstädtische Straßenzüge oder Plätze, Hausfassaden – und monumentale Heuhaufen. Reck wurde 1963 in Schlesien geboren, und tatsächlich meint man die Dörfer seiner Kindheit zu sehen. Solche Dörfer gab es bei uns wohl noch in den 50er Jahren. Das Flirren des lockeren Rasters, das die Wahrnehmung der räumlichen Situation im Bild nur in einigen Schritten Entfernung von der Wand erlaubt, assoziiert man vor allem im Fall des Heuhaufens unwillkürlich mit französischen Impressionisten, während die völlig flächig ins Bild gesetzte Hausfassade aus grauen Schindeln eher die amerikanische Malerei etwa Hoppers zitieren könnte. Das unvermeidliche Vergleichen und Verknüpfen belegt aber auch, daß Recks Malerei trotz ihres strikt formalen Aufbaus stark atmosphärisch wirkt. Filmstills aus dem fernen nahen Osten.

Bis 29.8. Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–17 Uhr, Gipsstraße 3

Brigitte Werneburg

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