Trinken für die Sichtbarkeit

„Kein Geld? Lug!“: Die „Kunst Politische Opposition“ agiert und agitiert  ■ Von Thomas Schulze

Die Geheimniskrämerei hat seit gestern ein Ende: Erstmals präsentierte sich die „Kunst Politische Opposition“ (KPO) live. In einer „spontanen Kunstaktion“ vor der Kulturbehörde gab sich ein gutes Dutzend KünstlerInnen „aus Verzweiflung über den verrotteten Zustand der Kulturpolitik dem Alkoholismus hin“.

Gut ausgerüstet traf die Picknickgesellschaft um 13 Uhr vor dem Brandenburger Haus ein: Sekt, Havanna Club, Gin mit frischen Limonen, eine Kühlbox voller Eiswürfel und Klappstühle. Vor dem gediegenen Eingangsportal der Behörde sprach die KPO dann einen „Toast auf die Ersetzung der Kunstproduktion durch die leere Repräsentation“ aus. Auf Transparenten aus buntem Kittelstoff schrie die Kritik rudimentärer: „Gemein! KPO“, „Geld alle? Lug!“ und „Kunst kaputt“. Nach klandestinen Treffen im Keller eines portugiesischen Speiselokals nahe der Elbe war es Zeit, öffentlich Spektakel zu machen. Christoph Schäfer, Mit-Initiator des Park Fiction-Projekts in St. Pauli, erklärt: „Von den Sparmaßnahmen ist jeder Künstler individuell betroffen, das geht nach innen, und man läßt sich privat vollaufen. Wir machen das jetzt in der Öffentlichkeit“, grinst er.

Die Haushaltskürzungen für die Bildenden Künste, die besonders selbstorganisierte Projekte treffen, veranlaßten das lockere Bündnis KPO zu den ersten Treffen. „Die Behörde besitzt keine Förderung, die auf den gewandelten Kunstbegriff paßt“, klagt Schäfer. Die KPO streitet aber nicht nur ums Geld, sondern auch um Strukturen im Kunstbetrieb: „Vermittlungsinstanzen akkumulieren Definitionsmacht in bezug darauf, was Kunst ist und was nicht.“ Und das wirkt sich unmittelbar auf die Verteilung des Geldes aus.

Für die Künstlerin und Herausgeberin der Zeitung SuperUmbau, Ania Corcilius, steht dahinter auch die Frage, welches Bild von Kunst eine solche Politik in der Öffentlichkeit erzeugt: „Die Event-Orientierung der Kulturpolitik, in der wirtschaftliche Effizienz zum Kriterium von Förderung wird, macht bestimmte Kunstformen unsichtbar.“ In 14 Tagen soll eine Konferenz die KPO konstituieren und den desolaten Organisationsstand der Hamburger Künstler beheben. Genaueres über geplante Aktionen und Ziele war gestern aus den gepflegten TrinkerInnen nicht herauszubekommen.

Mit einer präziseren inhaltlichen Ausrichtung können sie dann zeigen, daß die KPO mehr als Lobbypolitik im Sinn hat: „Künstler arbeiten eigentlich schon lange in einer Situation, wie sie auf die Gesellschaft insgesamt zukommt, ohne festes Berufsbild und dauerhafte Anstellung. Daher können wir zu der Debatte etwas beitragen“, meint Schäfer.

Gestern jedenfalls ließ Volkes Stimme nicht lange auf sich warten. „Sie als junge Leute müssen das doch mal einsehen, daß man nicht immer mehr Geld vom Staat fordern kann. Wir müssen alle umdenken“, bewies ein Passant staatstragende Qualitäten. Ein jovialer Ordnungshüter gab freigiebig Nachhilfe in politischer Rechtskunde: „Wir haben so ein großzügiges Versammlungsrecht“, ließ er den sich langsam eintrinkenden Haufen wissen, „Wenn Sie so etwas planen, sollten Sie die zuständigen Stellen einschalten, das kostet nichts und wird bestätigt.“ „Wir sind ja politisch noch so unerfahren“, under-statet Schäfer, um sich prompt in der Rolle des „Versammlungsführers“ wiederzufinden. Dabei hatte er beim Marsch zur Behörde noch verkündet: „Ist doch klasse, so eine führerlose Bewegung.“