piwik no script img

Rollt sie weg

■ Nicht zuletzt der Einsatz von Bjarne Riis sorgte dafür, daß die Tour gestern weiterging

Aix-Les-Bains (dpa/taz) – Daß die Tour Donnerstag vormittag zu ihrer 18. Etappe startete, lag zumindest nach Meinung des Telekom-Sportchefs Rudy Pevenage vor allem an Bjarne Riis. Als Chef- Unterhändler mit der Tourleitung unter Direktor Jean-Marie Leblanc kehrte der 34jährige Däne ins Rampenlicht zurück, aus dem er nach seinen dramatischen Zeitverlusten beim Einzelzeitfahren und in den Pyrenäen längst verschwunden war. „Ohne ihn wäre die Tour am Mittwoch zu Ende gegangen“, sagte Pevenage und das französische Fernsehen feierte den polyglotten Toursieger von 1996 als „großen Diplomaten“.

Der Däne übernahm auf der annullierten 17. Etappe die Pole-Position im Feld, nachdem der Weltranglisten-Erste und bisherige Wortführer Laurent Jalabert aus Protest gegen die Verhörmethoden der Polizei bei den Doping-Ermittlungen vom Rad und in den Mannschaftswagen gestiegen war. Riis nutzte seine Sprachkenntnisse und seine Autorität und wurde von Leblanc sofort als Verhandlungsführer akzeptiert. „Wir müssen die Tour retten“, lautete das Credo von Riis, der sogar Differenzen mit dem eigenen Team in Kauf nahm. Rolf Aldag etwa war „enttäuscht von den Kollegen“. Der Telekom- Fahrer aus Ahlen kam sich vor „wie ein Idiot“. Der Fahrer-Streik hätte nichts mit Solidarität mit den von der Polizei verhörten TVM- Fahrern zu tun, die die Ziellinie mit mehr als zweistündiger Verspätung Hand in Hand überqueren durften.

Dieses Bild hatte einen schalen Beigeschmack, weil es an 1995 erinnerte, als die Konkurrenten einen Tag nach dem Todessturz Fabio Casartellis die Mannschaftskameraden des Italieners vom Motorola-Team geschlossen über den Zielstrich fahren ließen. Aldag: „Wir hätten vor der Etappe gegen die Polizeiaktionen protestieren müssen. So wurde mit der Tour der falsche Adressat getroffen.“ Erik Zabel indes meinte: „Nur im Trikot eines Tourfahrers mitten im Rennen wird in der Welt registriert, was wir zu sagen haben.“

Leblanc hatte Riis zugesagt, daß die nötigen Polizei-Aktionen, die Polti-Manager Gianluigi Stanga (Italien) in unglaublicher Begriffs- Zuspitzung „Gestapo-Methoden“ nannte, unter anderen Bedingungen stattfinden würden. Die Polizei hielt sich an die Abmachungen, wie Riis gestern am Start zur 18. Etappe ausdrücklich feststellte, und ermöglichte auf diese Weise ein Weiterfahren. Jan Ullrich, der am Anfang der Festina-Affäre noch eher nach der Vogel-Strauß- Methode verfuhr und von nichts etwas wissen wollte, das links und rechts des grauen Asphalts lag, hat etwas gelernt. „Ich war topdrauf und wollte weiter attackieren. Durch die Bummeletappe wurde wahrscheinlich meine letzte Chance vergeben, vor dem Zeitfahren Zeit gutzumachen. Aber was zählt in diesem Moment der Sport. Es gibt Wichtigeres.“

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen