Neonazis sollen zum Gedenkmarsch auf die Weide

■ Dänemarks Polizei verbannt Gedenkmarsch für Rudolf Heß aus der Kopenhagener City

Kopenhagen (taz) – „Einerseits bekommt das kleine Häufchen zu viel Aufmerksamkeit und es wäre besser, sie totzuschweigen. Andererseits muß man aber Stellung beziehen.“ Bent Lexner, Oberrabbiner der Jüdischen Gemeinde in Kopenhagen, hat in diesem Jahr erstmals die 3.000 Mitglieder seiner Gemeinde aufgerufen, beim heutigen Rudolf-Heß-Gedenkmarsch von Neonazis Flagge zu zeigen und an einer Gegendemonstration verschiedener antifaschistischer Gruppierungen auf dem Schloßplatz von Kopenhagen teilzunehmen.

Dänemark hat nun zum dritten Mal in vier Jahren die zweifelhafte Ehre, von Neonazis als Austragungsort ihrer „Ehrung“ des Hitler-Stellvertreters an dessen Geburtstag ausgesucht worden zu sein. Zwar hatte es die Polizei im dänischen Roskilde im vergangenen Jahr mit einem Verbot versucht, konnte sich damit aber beim Justizministerium nicht durchsetzen: Die dänische Meinungsfreiheit soll auch für Hakenkreuzfahnen und „Heil!“-Rufe gelten. Was bleibt, sind Versuche, die Demonstrationen unter Hinweis auf die öffentliche Sicherheit aus Stadtzentren herauszudrängen und Zusammenstöße mit GegendemonstrantInnen zu verhindern.

Ihr Wunsch, im Zentrum der südlich von Kopenhagen gelegenen Stadt Köge zu demonstrieren, war der als Veranstalterin auftretenden „Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung“ (DNSB) deshalb ebenso verboten worden wie ihr Antrag, eine Kundgebung vor der deutschen Botschaft in Kopenhagen zu veranstalten – letzteres mit der Begründung, sie würden einem Radrennen zu nahe kommen. Gleichzeitig wurden aber alternative Demonstrationsrouten in Außenbezirken angewiesen, von denen DNSB-Führer Jonni Hansen aber nichts hält: „Da können wir gleich auf einer Kuhweide demonstrieren.“

Auch wenn die Heß-DemonstrantInnen ihre tatsächlichen Pläne bis zuletzt nicht bekanntmachten, sah es gestern danach aus, als ob sie den Versuch einer „spontanen“ Kundgebung in Kopenhagen oder einer Nachbarstadt starten wollen. Mit ähnlicher Taktik hatten sie im vergangenen Jahr einerseits die erhoffte Medienpräsenz erreicht und waren gleichzeitig einer Konfrontation mit den autonomen GegendemonstrantInnen aus dem Weg gegangen.

Diese wollen auch in diesem Jahr wieder gegen die Neonazis demonstrieren. „Aktive Verachtung“ solle man zeigen, heißt es auch in einem von linken Gewerkschaftlern und Sozialdemokraten unterzeichneten Aufruf. „Damit Kinderwagen und Steinwürfe getrennt bleiben“, will man sich nicht an der zentralen Gegendemonstration beteiligen, sondern am Hauptbahnhof treffen und dann je nach aktueller Lage entweder die Heß- Kundgebung besuchen oder dem DNSB-Hauptquartier einen „Besuch“ abstatten.

Die verstärkten Grenzkontrollen hatten seit Donnerstag die Anreise deutscher Neonazis zumindest erschwert. Von der deutsch- dänischen Landgrenze und der Fähre zwischen Puttgarden und Rödby wurde bis gestern mittag die Einreiseverweigerung für über 30 Skinheads gemeldet. Über eine Internet-Seite der Neonazis wurde deshalb von diesen die Empfehlung verbreitet, über die dänisch- schwedische Grenze einzureisen. Reinhard Wolff