: Keinesfalls der „Big Hit“
■ Ein richtig guter Film wäre nötig, um den Ruf John Woos und des Hongkong-Kinos zu retten
Unter den geschätzten Künstlern und Handwerkern des Hongkong-Kinos nimmt John Woo nicht nur in unseren Breiten eine Sonderrolle ein: Die Verehrung, die dem Meister der Action-Opern entgegengebracht wird, hat fast etwas Religiöses. Immerhin konnte sich der eher schüchterne Regisseur legendärer Schußwaffengelage von „The Killer“ bis „Hard Boiled“ spätestens mit „Face/Off“ ja auch in Hollywood behaupten. Doch der Hype um John Woo wirkt inzwischen eher albern.
Woos auf seinem Hongkong- Streifen „Once A Thief“ basierende US-Serie „Die Unfaßbaren“ ist hübsch gefilmt, aber unfaßbar belanglos, und der von ihm als Executive Producer begleitete „The Replacement Killers“ wurde trotz John-Woo-Darling Chow Yun-Fat in der Hauptrolle zu einem eher peinlichen Mißgriff. Die Entscheidung des Filmemachers, mal eben einen Action-Streifen mit Dolph Lundgren herunterzukubeln („Blackjack“), soll hier unkommentiert bleiben. In jedem Fall wäre ein richtig guter Film nötig, um den Ruf John Woos und des Hongkong-Kinos zu retten.
Che-Kirk Wongs „The Big Hit“ ist es leider nicht. Die angebliche Action-Komödie (ausführender Produzent: John Woo) führt eine ach so hippe, ach so professionelle Gruppe von jungen Auftragsverbrechern vor, vorneweg der übermäßig naive, immer hilfsbereite Mel (Mark „Marky Mark“ Wahlberg), der einfach nur liebgehabt werden will, dafür aber im falschen Beruf und der falschen Umgebung steckt. Ihr Plan, auf eigene Rechnung die Tochter eines japanischen Industriellen zu entführen, geht erwartungsgemäß nach hinten los: Sie ist eine spitzzüngige Unruhestifterin, ihr Vater längst bankrott – und ein alter Freund von Mels Boss (Avery Brooks). Die schmerzhaften Folgen lausiger Recherche...
Der Chef verlangt die Köpfe der Entführer, Mel muß sich mit den Eltern seiner Verlobten und dem Entführungsopfer herumschlagen und wird von seinem Kollegen Cisco zum Sündenbock gemacht. Es folgen Schießereien und teure Stunts, etwas Romantik und Leidenschaft, Witzeleien um Masturbation und überzogene Videos. Manchmal kann man verschämt kichern – aber die unelegante Mixtur aus „Cold Blooded“ (der lieb- naive Profikiller), TV-Sitcom und den überzogenen Action-Sequenzen im Hongkong-Stil geht so gar nicht auf. Bevor man „straight-to- video“ sagen kann, ist der Streifen vorbei, und man fragt sich ganz ernsthaft und grundsätzlich, ob der ganze John-Woo- und Hongkong- Wahn nicht doch nur das Ergebnis einer durch chinesische Restaurants verbreiteten Massenhypnose war. Thomas Klein
„The Big Hit“. Regie: Che-Kirk Wong. Mit Mark Wahlberg, Christina Applegate, Avery Brooks u.a. USA 1997, 93 Min.
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