: „In the ghetto“
■ Bei den US Open in New York gewinnt Tennisvater Williams den Titel im Unsinnerzählen
New York (taz) – Es ist wieder lauter Tag geworden in New York, Stadtteil Queens, bei den US Open, diesem Tennis-Bewerb für junge Millionäre und Millionärinnen. Im Wettquatschen um den größten Unsinn hat Richard Williams, dessen Töchter Serena und Venus zu den weltbesten Schlägerinnen gehören, gleich mächtig vorgelegt: Laut New York Post will er die US Open ins Ghetto von Compton in Los Angeles verlegen. „Warum nicht?“ fragt Williams. Das zu schlagen wird schwer.
Die Töchter sorgten derweil für weiteren Aufenthalt ihres Vaters: Venus Williams siegte gegen die Deutsche Elena Wagner 6:1, 6:0 und Serena Williams 6:2, 6:1 gegen die Bulgarin Pavlina Stoyanova.
Flugzeuge dröhnen. Amerikaner halten nicht still. Stefanie Graf (Deutschland) langweilt sich trotzdem in den 41 Minuten, die sie braucht, um Helene Weingärtner (auch Deutschland, 18jährig, nervös) 6:0, 6:1 fertigzumachen, und beklagt deshalb die schlechte Qualität der deutschen Talente: „Da kommt nichts nach.“
Bernd Karbacher (München), 1997 vier Monate mit Herzmuskelentzündung darniederliegend, muß sich fragen lassen, ob es in seiner Familie schon viele Herzkranke gab, nachdem er eine Überraschung geschafft hat: 2:6, 6:3, 6:2, 6:1 über den Australien- Open-Gewinner Petr Korda. Der ist noch lange kein armer Mann und sagt: „Ich muß ein bißchen weg vom Tennis.“ Der deutsche Jungunternehmer Nicolas Kiefer übertrifft den Franzosen Roux 6:4, 6:3, 6:1 und erzählt: Kultur möge er weniger, habe sich aber die Freiheitsstatue angeschaut.
Marcelo Rios, Flegel und Weltranglisten-Zweiter, gewinnt gegen den Tschechen Vacek 6:4, 6:2, 6:3 und wendet sich an die 50 Chilenen, die „Viva Chile!“ geschrien haben: „Ich sag' danke.“ Jungprofi Tommy Haas schlägt 29 Asse beim 6:3, 7:5, 6:4 über den Spanier Burillo und findet: „Burillo gibt einem keinen Rhythmus.“
Es wird Abend. Ein Kakerlak krabbelt über den Tisch, Regen setzt ein. Die Millionäre und Millionärinnen legen sich schlafen, Stefanie Graf will ins Guggenheim Museum. In Compton weint eine Mutter. Spiel, Satz und Sieg, Mister Williams. Thomas Hahn
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