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Vom Nachtwächter zum Allround-Dienstleister

■ Das Wachschutzgewerbe erhofft sich vom Regierungsumzug einen Boom. Doch die Skeptiker in der Branche schaffen sich mit Reinigungs-, Catering- und Kommunikationsdiensten ein zweites Standbein

Die aus dem Wannsee gezogene Leiche lenkt den Verdacht der Polizei auf einen einflußreichen Wachschutzunternehmer. In dem SFB-Tatort „Schlüssel zum Mord“ bekam es Kommissar Zorowski im Sommer 1997 mit der boomenden Security-Branche zu tun.

Ein Jahr später scheint dieser Boom tatsächlich einzutreten. Hartmut Noll, Landesvorsitzender des Bundesverbandes der Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS), erwartet im Zuge des Regierungsumzugs die Entstehung von 2.500 zusätzlichen Arbeitsplätzen im Sicherheitsservice. Zwar hat der Bund die Schutzhoheit über die 200 ausländischen Vertretungen, „doch angesichts leerer Kassen werden die privaten Sicherheitsdienste von deren Umzug profitieren“, hofft Noll. Auch Marion Haß von der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) prognostiziert eine stärkere Arbeitsteilung zwischen Polizei und Wachschutzunternehmen.

Dieter Tutter sieht das anders. Der Geschäftsführer der Gegenbauer Sicherheitsdienste GmbH schreibt den momentanen Zuwachs der Branche dem Bauboom zu. Das 500 Mann starke Unternehmen beschäftigt allein auf der Debis-Baustelle am Potsdamer Platz in Kooperation mit einem anderen Unternehmen einhundert Mitarbeiter. Der ehemalige GSG-9-Ausbilder geht jedoch davon aus, daß sich der Aufschwung wieder beruhigen wird. „Im Jahr 2005 ist damit Schluß.“

Angefangen hatte es vor über hundert Jahren: Berliner Grundbesitzer hatten einen Dienst zum Schließen ihrer Häuser eingerichtet. 1901 wurde dann in Hannover die erste Wach- und Schließgesellschaft gegründet. Seither ist deren Zahl explodiert. Mehr als 300 sind bei der Berliner IHK angemeldet. Neben den vielen Kleinstunternehmen sind 75 Firmen auf dem Berliner Markt, die insgesamt etwa 12.500 Wachschützer beschäftigen. Elf Firmen mit insgesamt 1.000 Angestellten sind im Bundesverband organisiert.

Größter Einzelanbieter in Berlin ist mit 1.800 Mitarbeitern die Raab Karcher Sicherheits GmbH. Sie ist die einzige Firma außerhalb des Bundesverbands, die mit der ÖTV feste Tarife ausgehandelt hat. Den dort üblichen Stundenlohn von 13,50 Mark unterbieten die meisten Unternehmen bei weitem, viele zahlen nur sechs oder sieben Mark die Stunde. Das fördert die Bestechlichkeit. Am 20. August wurde auf dem Bahnhof Ostkreuz ein Wachschutzmann erwischt, als er Graffity-Sprayern für 500 Mark die Patrouillenpläne seiner Firma verkaufen wollte. Zu den Dumpinglöhnen kommt der ruinöse Preiswettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hinzu. Hier gehen die Mitglieder des Bundesverbandes weitgehend leer aus – als Reaktion darauf hat Raab Karcher den Verband Ende vergangenen Jahres verlassen.

Die Großen der Branche wollen weg von dem Klischee, Wachschutz sei das Auffangbecken für gescheiterte Existenzen. Der Bundesverband fordert von der IHK, die dreitägige Unterrichtung angehender Wachleute mit einer Prüfung abzuschließen. Zwar besteht die Möglichkeit einer Ausbildung zur Werkschutzfachkraft, doch angesichts der hohen Fluktuation leistet sich kaum ein Unternehmen die teure Weiterbildung.

„Doch dort liegt die Zukunft“, sagt Gegenbauer-Geschäftsführer Tutter. Sein Unternehmen ist wie andere große Sicherheitsfirmen auch mit Reinigungs-, Catering-, und Kommunikationsdiensten zum multifunktionalen Dienstleister avanciert. Auch Klaus Wazlak, Pressesprecher der BVG, will den privaten Sicherheitsdienst IHS, der in der U-Bahn patrouilliert, künftig mit Serviceaufgaben wie dem Tragen von Kinderwagen und dem Erteilen von Auskünften betreuen. Andreas Leipelt

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