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Azubis auf dem Vulkan

■ Im „Ausbildungsverbund Bremen-Nord“ auf dem Gelände der ehemaligen Vulkan-Werft werden Jugendliche überbetrieblich ausgebildet / 1.000 Ex-Vulkanesen vor Ort

Schon der Opa von Thomas war Vulkanese. Auch sein Stiefvater. Aber als der 17jährige im Sommer mit der Schule fertig war, gab es die Werft nicht mehr, in der die Männer seiner Familie Jahrzehnte gearbeitet hatten. Und doch: Auf seine Weise ist auch Thomas Vulkanese geworden. Die altmodische Stechuhr, in die er morgens seine Karte einschiebt, hängt in einer Halle im Osten des Vulkan-Geländes, in der seit zwei Monaten der „Ausbildungsverbund-Nord“ Jugendliche ausbildet. In der Halle wurde auch früher schon der Nachwuchs für die Schiffbauer ausgebildet. Von dem Opa von Thomas, unter anderem.

Jetzt steht der Azubi Thomas hier, und bohrt selber emsig Löcher in Metallplatten. „Nur 18 Bewerbungen“ mußte er schreiben, bevor er den Ausbildungsplatz bekam. Konstruktionsmechaniker lernt er, Fachrichtung Schiffsbau. Ausgerechnet. Aber Schiffbauer sind derzeit gefragt. In Firmen, die Teile für Schiffe bauen. Er ist im ersten von vier Ausbildungsjahren. Angst vor Arbeitslosigkeit jedenfalls hat Thomas vorerst nicht.

Seinem Meister, Klaus Fritz, geht das etwas anders: Er hat seine Erfahrung gemacht. Während der brummige Vollbartträger von früher erzählt, stellen sich immer mehr seiner rund zwei Dutzend Jungs dazu, um zuzuhören. Als der Vulkan unterging, war er 55. „Versuchen sie in dem Alter mal, noch einen Job zu bekommen“. Erst war er noch sechs Monate bei der Beschäftigungsgesellschaft Mypegasus angestellt, dann wurde auch er arbeitslos. Ein ganzes Jahr. „23 Jahre lang war ich hier Ausbilder. Seit dem 14. Januar 1974.“ Seit diesem August ist er es wieder, bezahlt aus Geldern der Arbeits-Beschaffungs-Maßnahmen. Noch einen zweiten Meister gibt es hier, im Januar 1999 kommt ein dritter dazu. Alles Ex-Vulkanesen. Maximal drei Jahre können sie so beschäftigt werden. Läuft der Laden bis dahin, wäre eine Übernahme in eine Festanstellung wohl das Normalste der Welt. Damit der Laden läuft, müssten noch ein paar mehr Firmen ihre Azubis für einen Teil ihrer Ausbildung in die ehemalige Vulkan-Halle schicken. Derzeit kommen die Azubis von Nehlsen, Stahlbau-Nord und RIMO Maschinenbau – alle arbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Vulkans, wo inzwischen wieder 1.000 Menschen in Lohn und Brot stehen. Ein großer Teil davon sind Ex-Vulkanesen.

Vor zwei Monaten also ist in die helle Halle für Metall-Ausbildung mit dem ersten Azubi-Jahrgang des Verbundes wieder Leben eingekehrt. Direkt nebenan liegt die frühere Ausbildungshalle für Elektroberufe, abgeschlossen im staubigen Dornröschenschlaf. Früher wurden in jeder der beiden Hallen beständig zwischen 60 und 80 Jugendliche ausgebildet. Die alten Vulkan-Geräte sind das Hauptkapital des neuen Verbundes. Der ganze Stolz: Eine computergesteuerte CNC-Drehbank für Metall, die neu 500.000 Mark gekostet hat. „Sonst hat hier nur Mercedes sowas“, sagt der Geschäftsführer des Ausbildungsverbundes, Heiner Erling mit etwas Stolz in der Stimme. Wert war die Konkursmasse aus der Ausbildungshalle nur angebliche 200.000 Mark – Versichert ist der Maschinenpark aber inzwischen für 4,5 Millionen Mark. Beinahe wären die Geräte verschleudert worden.

Mehr als eine Aufwandsentschädigung bekommt Erling nicht für seinen Job. Eigentlich leitet er die Jugendbildungsstätte im Lidice-Haus in Bremen Burg. „Ich wollte, daß das hier nicht kaputt geht.“ Sein Ehrgeiz ist, den Verbund anzuschieben und zu beweisen, daß sich die Idee rechnet. Vom Arbeitssenator kam eine Anschubfinanzierung von 145.000 Mark für den Umbau. Jetzt muß sich herausstellen, ob sich der Betrieb auch wirklich selber tragen kann.

Christoph Dowe

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