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■ GhettoblasterDiskussion "Ghettoblaster": Eine Frage des Respekts

Das Gegenteil von „gut gemacht“ ist nicht „schlecht gemacht“, sondern „gut gemeint“.

Da wollten wir, die Berlin- Redaktion der tageszeitung, ausländischen Autoren auf unseren Seiten einen Platz geben, auf dem sie ungefiltert ihre Ansichten von Berlin und von Deutschland schildern, Freude und Leid am Leben hier äußern können.

Wir dachten, das würde ihnen Spaß machen und uns wie unseren Lesern neue Einsichten bringen – und prompt lehnten einige Autoren dieses Angebot ab. Ihre Begründung, die uns überraschte: Der Name der Kolumne „Ghettoblaster“ stoße sie ab, hier zu schreiben. Sie fühlten sich durch diesen Namen – um es auf den Punkt zu bringen – diskriminiert.

Nicht nur in der Redaktion, auch in der Radiosendung „MultiKulti“ des Senders Freies Berlin (SFB) gab es einen Disput, ob es besser sei, den Namen zu ändern oder ihn zu lassen. Zwei Ansichten der MultiKulti-Autoren, die gelegentlich auch für uns diese Kolumne schreiben sollten, druckten wir vor einer Woche, eine für das Festhalten am Namen, eine dagegen. Auch wir diskutierten das noch einmal – für beide Ansichten gab es gute Argumente:

Die Befürworter des Namens „Ghettoblaster“ hoben unter anderem hervor, der Begriff sei weder diskriminierend gemeint noch so zu verstehen, da ein „Ghettoblaster“ eben ein Radiorecorder sei und wenig über seinen Träger sage. Außerdem dürfe und könne man nicht auf alle Empfindlichkeiten unserer Leser eingehen: Täten wir das, wäre unser Blatt langweilig(er), würde es sich leicht verlieren in PC-Korrektheiten, wäre unsere journalistische Unabhängigkeit angetastet.

Gibt es überhaupt einen Begriff, so hieß es weiter, der einerseits griffig und anregend ist (was ein Kolumnentitel sein muß), der aber andererseits niemand provoziert und herausfordert?

Dagegen argumentierten die Begriffs-Ablehner, offenbar fühlten sich manche durch den Kolumnennamen in die Ecke gestellt, „ghettoisiert“. Da wir gerade das Gegenteil dessen wollten, könnten wir nicht beim Namen „Ghettoblaster“ bleiben. Anscheinend komme die ironische Brechung, die wir diesem Namen zusprachen, nicht bei allen Lesern an.

Ist es außerdem, so die Ablehner, nicht eine selbstverständliche Höflichkeit, Empfindlichkeiten unserer Autoren und Leser zu berücksichtigen und den Namen zu ändern? Wie könnten wir verbohrt an dem alten Namen festhalten, wenn gerade diese Kolumne offen sein und Neues zeigen wolle? Schließlich: Wollten wir darüber hinweggehen, wenn sich manche jüdische Leser und Autoren (und nicht nur sie) durch den Begriff an Judenghettos erinnert fühlten, wir uns also dem Vorwurf mangelnder Sensibilität, gar des Antisemitismus, aussetzen könnten, wenn wir den Namen behielten?

Unsere Entscheidung, wenn auch etwas zähneknirschend: Wir ändern den Namen und präsentieren einen neuen – „Intershop“. Und der ist ebenfalls sehr „gut gemeint“. Philipp Gessler

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