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„Hallo“ ruft keck ein Wandrelief

■ Ausstellung auf Kampnagel: „Nord-Süd-Fahrt“ präsentieren Farben und Effekte nach 1950

Zwei Ateliergemeinschaften, eine aus Stuttgart und eine aus Köln, zeigen ihre Werke der leisen Differenzierungen zur Zeit auf Kampnagel. Als verbindender Titel dient den sieben Künstlern dabei der grausam einfache und dennoch auf schräge Weise poetische Name des kecken Straßendurchbruchs durch die Kölner Innenstadt: Nord-Süd-Fahrt. Auch ihre Kunst bedient sich des Blicks auf jene Zeit, in der der Fortschritt in der strikten Logik des rechten Winkels gesucht wurde: Alle arbeiten mit Spielarten des Minimalismus und der Farbfeldmalerei der späten Fünfziger Jahre.

Es geht aber nicht um einen Traditionalismus der Moderne, denn nach mehr als dreißig Jahren sind die Antworten auf die gleichen Fragen gewiß nicht mehr dieselben. So ist allen die damalige ideologische Strenge ganz fremd. „Mülsch, schlomm, rolengg, frops, pluf, zorps“ sind da unregelmäßige Körper von Dorothea Schulz benannt, „Hallo“ ruft ein Wandrelief, und rohe Eier in Gips führen klassische Materialästhetiken ad absurdum.

Raymund Kaiser demonstriert zwar mit seinem unterschiedlichen Farbauftrag und seinen Bildflächen bis zum Winkel und zur Säule die Varianten von Oberfläche, fügt für ungewöhnlichen Glanz aber auch farbidentische Fotos an seine Bildtafeln an. Es gibt also viele Stellen, an denen die reduktionistische Systematik gekippt wird.

Doch diese Kunst mißtraut der schnellen Wirkung, sie will die Wahrnehmung feiner differenzieren. Die „Labiles“, zweiteilige Eisendrahtgebilde von Erwin Herbst, sollte der Betrachter im Kopf auf die zugrundeliegenden Kubuskanten zurückrechnen, und welche Idee er in die „black box“ steckt, bleibt ihm ganz allein überlassen. Jenseits aller übertragenen Bedeutung ist diese „Schwarze Kiste“ hier einfach, was der Name sagt: ein schwarzes Volumen als Farbplastik an der Wand. „Auch wenn es zuerst so aussieht – das ist keine konkrete Kunst, sondern eher ein Farbexperiment“, sagt auch Ulrike Geitel von ihren Farbtafeln. Sie hängt sie bewußt nachlässig zu Gruppen, die gerade noch ein Gleichgewicht erzielen.

Viel mathematischer geht dagegen Andreas Opiolka vor. Seine Bildserien sind nach genauen Proportionsordnungen aufgebaut, deren Komplexität nicht immer für den Betrachter nachvollziehbar ist, deren Harmonie sich aber mitteilt. Doch auch er führt Elemente der Unschärfe ein: durch das nicht ganz exakte Aufmontieren der dünnen Fließstoffe auf die Bildtafeln entsteht eine sanfte Unregelmäßigkeit.

Mit komplizierten Maschinen setzt Joachim Fleischer einfache Lichteffekte in Szene. Bei starker Blendung und wechselnden Schatten muß der Betrachter die Augen zusammenkneifen und sieht in Projektion ein riesiges Gesicht, das genau dasselbe tut. Die Lichtmaschinen des Stuttgarters zeigte vor fünf Jahren in Hamburg die inzwischen leider aufgelöste alternative Galerie „heimArt“ nicht weit von Kampnagel in der Peter-Marquart-Straße. Jetzt leuchtet ein wandernder Spalt den Zugang zur Halle aus, wie ein Tomograph und im Zentrum der Ausstellung bewegt sich zufallsgesteuert eine kreisende und nickende Kamera. Plötzlich hält sie an und focussiert kurz ein Zufallsbild ....wie Wahrnehmung eben meist funktioniert. Hajo Schiff

„Nord-Süd-Fahrt“, Halle K3 auf Kampnagel, Di-So 16-20 Uhr, bis 29.Oktober. Vorgezogene „Finissage“ mit Konzertperformance schon am Montag 23.Oktober, 20.30 Uhr.

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