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Keine Moral im Subsystem Fußball

■ Niklas Luhmann wußte Bescheid: Gerechtigkeit hat im Rasensport einfach nichts zu suchen

Die Szene, die das Spiel am genauesten beschreibt, geschah in der 44. Minute: Ein Fehlpaß Thomas Meggles erreichte Gästestürmer Machambes Younga; beim Konter der Kölner nahm Meggle seinem Gegner den Ball gleich wieder ab. Ein oft zerfahrenes Aufbauspiel kompensierten die St. Paulianer, indem sie ihre Fehler postwendend ausbügelten. Am Ende standen, naheliegend, beide Nullen.

André Trulsen sah trotz des fünften sieglosen Heimspiels in Folge Positives. „Man hat wieder gesehen, daß wir seit vier, fünf Wochen gut arbeiten“, war der Verteidiger überzeugt: „Wir sind auf dem richtigen Weg, nur muß sich das endlich auch in drei Punkten niederschlagen.“ Der Hilfeschrei nach Gerechtigkeit mutete etwas ratlos an. Gerechtigkeit, hätte der jüngst verstorbene Soziologe Niklas Luhmann wohl trocken angemerkt, ist nun mal nicht im Subsystem Fußball, sondern bei der Moral angesiedelt – und die findet allenfalls außerhalb des grünen Rasens statt.

St. Paulis Methode, zumindest das Glück zu erzwingen, scheiterte auch. Die letzten 30 Minuten spielte mit Juri Savitchev gar ein dritter Stürmer mit, aber der konnte nie demonstrieren, daß er „endlich verstanden hat, worum es geht“, wie Co-Trainer Joachim Philipkowski vor dem Spiel hoffnungsfroh prognostiziert hatte. Mehr als drei Chancen sprangen für St. Pauli nicht heraus: Matthias Scherz (54.), Marcus Marin (61.) und Ivan Klasnic (78.) scheiterten allesamt, letzterer an der – ungerechten – Torlatte.

Bei St. Paulis Schlußoffensiven-“Harakiri“ (Coach Gerhard Kleppinger) hatte Brdaric (87.) per Konter sogar noch das Kölner Siegtor auf dem Fuß. Der Goalgetter versuchte freistehend einen kunstvollen Lupfer, der das Tor verfehlte. „Ich muß ihm einmal sagen, daß man im Fußball nicht immer nur schöne Tore schießen kann“, ärgerte sich Fortuna-Coach Toni Schumacher.

Vielleicht war die Präzision den Rheinländern aber auch auf der Anfahrt verlorengegangen. Gegen 10.30 Uhr passierte ihr Mannschaftsbus die Kreuzung Schulweg/Osterstraße bei dunkelgelbem Ampellicht. Mit drei Punkten wurde das Austesten der Grenzen der Straßenverkehrsordnung nicht belohnt. Wer Luhmann nicht mag, mag das ausgleichende Gerechtigkeit nennen. Folke Havekost

FC St. Pauli: Thomforde, Dammann, Trulsen, Stanislawski, Wolf (74. Karaca), Hanke, Meggle (46. Scherz), Seeliger (63. Savitchev), Puschmann, Marin, Klasnic

Fortuna Köln: Bobel, Westerbeek (3. Catic), Dragoner, Schneider, Kranz, Kirovski, Grlic, Renn, Scholz, Brdaric, Younga (82. Cichon)

SR.: Scheppe – Z.: 11.500

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