: Dürfen wir Affen opfern?
■ Forscher trafen sich gestern an der Bremer Uni zum Forum über die Legitimation von Tierversuchen / Kritik an Kreiters Makaken-Experimenten blieb aber sehr allgemein
„Darf eine Notärztin einen Menschen opfern, um mit seinen Organen das Leben von fünf anderen Menschen zu retten?“ So drastisch fragte gestern der Berner Philosoph Dr. A. Flury auf dem Diskussionsforum zu Tierversuchen an der Universität, zu dem die Unterzeichner des Bremer „Memorandums gegen invasive Versuche mit Affen an der Universität Bremen“ geladen hatten. Die Frage ist natürlich zu verneinen, da nicht alles erlaubt ist, was ein Menschenleben rettet.
Der Senatssaal der Bremer Universität war den ganzen Tag über voll. Es ging um die „Legitimation von experimenteller Forschung an höheren Tieren“. Eingeladen hatten die 100 Wissenschaftler, die sich in ihrem „Memorandum“ gegen die Tierversuche des Neurobiologen Dr. Andreas Kreiter ausgesprochen hatten.
Ein anderes Beispiel für das ethische Problem: Eine deutliche Reduzierung der Geschwindigkeit im PKW-Verkehr würde jedes Jahr tausende von Menschenleben „sparen“. Trotzdem wollen wir das nicht, höhere Geschwindigkeit ist dem Menschen dieses Opfer wert. Was bedeutet das für die ethische Frage, ob der Mensch Tiere für die vage Hoffnung medizinischen Fortschritts opfern darf? Der Schweizer Philosoph zog eine überraschende Schlußfolgerung: Wenn dem Menschen der Erhalt des menschlichen Lebens so wenig wert ist, daß er dafür nicht auf Geschwindigkeit verzichten will, dann darf der Mensch andere Kreaturen nicht mit dem Argument opfern, es gehe um die Rettung von Menschenleben.
Viel Zustimmung fand auch das Argument des englischen Wissenschaftlers Prof. Michael Balls vom Europäischen Forschungszentrum Ispra: Üblich seien wissenschaftliche Projekte, in denen am Anfang eine präzise Fragestellung stehe und aus dieser Problemstellung begründbar sei, daß Tierversuche erforderlich und ethisch zu rechtfertigen seien. Die Bremer Makaken-Versuche, die seit dem Juni stattfinden, folgten aber einer anderen Logik: Am Anfang stehe eine bestimmte Versuchs-Technik, und die Begründung für die Tierversuche erschöpfe sich darin, daß man wenig über das menschliche Gehirn wisse und mit dieser Methode mehr erfahren könne. Dieses Vorgehen sei, erklärte Prof. Balls, moralisch nicht zu rechtfertigen.
Das Diskussionsforum befaßte sich über weite Strecken mit allgemeinen Legitimationsfragen der Tierversuche. Im Publikum saß der Bremer Makaken-Forscher Kreiter. Er war von den „Memorandums“-Professoren nicht eingeladen worden und setzte sich erst nach ausdrücklicher Aufforderung aus dem Publikum auf das Podium. Er versicherte, seine Affen würden unter den Versuchsbedingungen vergleichsweise wenig leiden. „Ob diese Versuche moralisch gerechtfertigt sind, da gibt es verschiedene Meinungen.“
Wolfgang Apel vom Deutschen Tierschutzbund wies erneut darauf hin, daß Krankheiten im Gehirn durch bildgebende Verfahren direkt am Menschen untersucht werden könnten und die Experimente mit Affen medizinisch nicht notwendig seien. Der Pharmakologe Prof. Schönhofer ist da skeptischer. Er hält es aber für möglich, daß durch eine verbesserte Technik zukünftig diese neuen Methoden Erfolge bringen könnten. T.B. /K.W.
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