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Putziger Sonderfall, unterhaltsam präsentiert

betr.: „Bluebox im Wohnzimmer“ von Helmut Höge,

taz vom 14./15. 11. 98

Die Medienvielfalt, die Ihnen in Brandenburg so erstaunlich erscheint, charakterisiert durchaus die neuen Bundesländer: Wenn irgend etwas hier blüht, dann das Engagement und die Findigkeit der lokalen privatwirtschaftlichen Rundfunkszene. In Sachsen sind mehr als 65 TV-Anbieter lizenziert, die allein in etwa 300 Wohnanlagen mit mehr als 700 Wohneinheiten ein Bewegtbild-Programm (als Schleife und in Kombination mit Texttafeln) anbieten. Akutes Problem in der Tat: Mediadaten als Argumentationsbasis.

Ein bißchen Recherche da, wo es die zitierten Plattenbauviertel auch noch gibt, hätte das Erstaunen raus aus Brandenburg und rein in eine spezifische ostdeutsche Normalität gebracht. Dann allerdings wäre Erstaunen ein wenig zuwenig gewesen, um Vielfalt und Lebendigkeit, Härten und Mängel, Potentiale und Wirtschaftlichkeit angemessen zu beschreiben. So aber läßt sich großmütig und urban schauen auf das, was sich in der offenbar ultimativen deutschen Provinz Merkwürdiges zuträgt. Und als putzigen Sonderfall unterhaltsam präsentieren.

Ist es, frage ich mich nach diesem Artikel, heutzutage möglicherweise politisch nicht korrekt, über generelle Ost-West-Unterschiede zu schreiben? Oder entzieht sich der Osten immer noch dem gleichwertigen Blick des Journalismus, erhält Nachrichtenwert erst durch bestimmte Zoo-Qualitäten: ungewöhnlich, lebensfähig nur unter Schutz, für Kurzbesuche geeignet? Brigitte Witzer, Leipzig

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