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■ Die Anderen"Neue Rehein/Neue Ruhr Zeitung" zu Schilys Haltung zur Zuwanderung / "Die Zeit" zu einer Verfassung für Europa

Die SPD-nahe „Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung“ findet Schilys Worte zum Zuwanderungsgesetz richtig: Wer die Fakten akzeptiert, kommt mit Otto Schily zu dem Schluß, daß die Grenze der Zuwanderung längst erreicht ist. Schließlich ist es mit der Einreise nicht getan. Die Menschen brauchen eine Wohnung, ein Einkommen. Es ist nicht unmoralisch, in diesem Zusammenhang an die vier Millionen Arbeitslosen zu erinnern. Es ist nur realistisch. Ob die Grenze „überschritten“ wurde, wie der Bonner Innenminister meint, ist eine semantische Frage. Wohl war Schily unsensibel in der Wahl der Sprache und des Zeitpunktes. Aus der Oppositionszeit schleppt die SPD noch ein paar Widersprüche mit sich herum (etwa die Forderung nach einem Zuwanderungsgesetz), und die Grünen haben ein paar Illusionen. Vieles wird sich mit der Zeit ergeben.

Der Berliner „Tagesspiegel“ meint zu Schilys Haltung zur Zuwanderung: Ob man Schilys Meinung teilt oder nicht, daß die Zuwanderung in Deutschland die Grenzen der Belastbarkeit überschritten hat – die Bemerkung hat Freund und Feind ins Herz getroffen. Schily rührt an die Lebenslügen beider Lager. Das eine, etwas vereinfacht mit CDU und CSU zu identifizieren, tut so, als könne es sich gar nicht genug freuen. Und ärgert sich heimlich. Denn für die grundsätzliche Annahme dieses Lagers, daß Deutschland kein Einwanderungsland sei, ist Schily nun beim besten Willen nicht zu vereinnahmen. Das andere Lager, zugespitzt mit den Grünen zu identifizieren, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: Aus Schily spreche der Stammtisch. Doch weiß man hier längst, daß offene Grenzen eine regellose Zuwanderung nicht mehr zulassen. Der Streit über Schilys Äußerung ist hitzig, gelegentlich unsachlich, aber unvermeidlich.

Die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ versucht eine Verfassung für Europa ins Spiel zu bringen: Europa braucht jetzt eine Verfassungsdebatte. Noch ruht das Brüsseler Maßwerk weithin auf nationalen Pfeilern, auf den Regierungen. An den Bürgern vorbei kann es aber nicht weitergehen. Und im institutionellen Gefüge der Union muß vieles einfacher werden, eben weil Europa so kompliziert ist.

Die europäische Einigung ist die einzige Utopie, die es aus diesem mörderischen 20. Jahrhundert zu retten lohnt. Die Gründerväter wollten der kriegerischen Vergangenheit abschwören. Ihre Nachfahren müssen sich jetzt auf die Zukunft ausrichten: auf eine Föderation oder Konföderation mit bald schon weit über 20 Mitgliedern. Schröder hält wenig von Visionen. Und doch läßt sich die Arbeit am Aufriß für einen Kontinent der Demokratie, eine Region von Weltrang und ein wirkliches Europa der Bürger nicht lange aufschieben.

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