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Der Tiger im Tank schnappt zu

Größte Fusion aller Zeiten: Die Ölriesen Exxon/Esso und Mobil in 100-Milliarden- Gesprächen  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Bis vor kurzem waren sie noch die Nummern zwei und drei der Weltölkonzerne. Nun sprechen die Vorstände von Exxon (in Deutschland als Esso bekannt) und Mobil Oil über einen Zusammenschluß – so lauten jedenfalls Meldungen, die gestern von Verhandlungsteilnehmern innerhalb der beiden Firmen an die Öffentlichkeit gelangten. Die Financial Times meldet gar, daß ein Ergebnis schon nächste Woche bekanntgegeben werden könnte. Damit würde der größte Konzern der Welt entstehen mit einem kombinierten Gewinn 1997 von 11,8 Milliarden Dollar (rund 20 Milliarden Mark). Die Aktien von Exxon und Mobil waren vor den Fusionsgerüchten an den Börsen 177 und 61 Milliarden wert – Dollar, nicht Lire. Nur General Electric und Microsoft liegen im Börsenkapital noch vor dem neuen Konglomerat.

Von den angelsächsischen „Sieben Schwestern“, die jahrzehntelang den Weltmarkt für Öl beherrschten, wären damit nur noch fünf übrig: die neue Nummer eins Exxon/Mobil, Royal Dutch/Shell, BP/Amoco, Chevron und Texaco. Die beiden Fusionskandidaten waren schon einmal vereint: Als Standard Oil of New Jersey gehörte Exxon ebenso zum berüchtigten Rockefeller-Trust wie Mobil, die unter Standard Oil of New York und Vacuum Oil firmierte. In einem Kartellverfahren wurde der Trust jedoch von den US-Behörden und dem Obersten Gericht zwischen 1908 und 1911 aufgespalten.

Zwei Konkurrenten des neuen Konglomerats, British Petrol und Amoco, hatten erst diesen August ihr Zusammengehen bekanntgegeben. Durch die Konten der Ölkonzerne laufen gewaltige Summen. Exxon setzte im vergangenen Jahr 120 Milliarden Dollar um, Mobil 58,4 Milliarden. Shell, die bisherige Nummer eins der Branche, lag bei 128 Milliarden, BP/ Amoco werden auf 107 Milliarden taxiert. Dabei haben die Ölförderer und Raffineriebetreiber verhältnismäßig wenig Angestellte, Exxon nennt 80.000, Mobil gut 42.000 Beschäftigte. Das ist wenig für die größte Unternehmensfusion aller Zeiten. Daimler/Chrysler bringen es bei einem nicht mal halb so großen Börsenwert immerhin auf weit über 400.000 Menschen auf den Gehaltslisten.

Ob und wie die Konzernhochzeit vonstatten geht, muß noch endgültig geklärt werden. Aus den Unternehmenszentralen kam gestern nur: „kein Kommentar“. Die Branchenexperten sind geteilter Meinung darüber, was die Fusion bringen würde. Der Exxonboß Lee Raymond gilt als recht konservativ, der Chief Executive Officer der Mobil Corporation, Licio Noto, hingegen als Kostensenker, der auch vor dem Schleifen alter Traditionen nicht haltmacht.

Das Geschäft der beiden überschneidet sich in vielen Bereichen. Beide besitzen natürlich zahlreiche Raffinerien, Öl- und Gasfelder. Weltweit dürfte es künftig kein Explorationsprojekt geben, das für die beiden zu groß wäre. Kommentar Seite 12

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