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■ Die AnderenDie "Deister und Weser-Zeitung" aus Hameln und die "Frankfurter Rundschau" über Bubis' Anschuldigung gegen Walser / Die "Neue Rhein/Neue Ruhr-Zeitung" kommentiert die Lage der SPD

Die „Deister und Weser-Zeitung“ aus Hameln sieht durch Bubis' Anschuldigung gegen Walser den sittlichen Ernst deutscher Menschen verletzt: Was tut Ignatz Bubis seiner Klientel nur an? Mit seinem Rundumschlag gegen deutsche Schriftsteller, die es sich mit ihrem Gewissen niemals leicht gemacht haben, empört er Menschen mit freiem Verstand und sittlichem Ernst – und ruft ungute Reaktionen der großen Vereinfacher hervor. Und wenn er jetzt nicht einmal mehr davor zurückschreckt, Walser und Dohnanyi „latenten Antisemitismus“ zu unterstellen, so braucht er sich nicht zu wundern, wenn seine Unfähigkeit, Walser richtig zu lesen, nicht nur als gesellschaftspolitischer und psychologischer Analphabetismus, sondern weithin als Bestätigung der Walserschen Befürchtung angesehen wird, die Erinnerung an die NS-Verbrechen werde häufig „instrumentalisiert“. Dieser Verdacht, den sich Bubis hier aufgeladen hat, kann dem Interesse der von ihm vertretenen Menschen am allerwenigsten nützen.

Die „Frankfurter Neue Presse“ findet, daß Bubis seine Holocaust-Traumatisierung benutzt, um im deutschen zivilen Gemeinwesen Gräben aufzureißen: Bubis will Argumente gar nicht hören. Er beschwört hartnäckig ein Gespenst, das durch seine Interpretation der Rede Walsers überhaupt erst in die Welt gekommen ist und immer groteskere Züge annimmt. Die Debatte beginnt allmählich genau jenem Mechanismus zu verfallen, den Walser beschrieben hat, als er von „Moralkeule“ und „Instrumentalisierung“ sprach. Der Vorwurf des Antisemitismus, so ungerechtfertigt er sei, bringt am Ende noch jeden Einwand, jede Widerrede zum Verstummen. Bubis ist dabei, Gräben aufzureißen, die man nicht mehr für möglich gehalten hätte. Gräben, die für jüngere Generationen nie existiert haben. Bubis spricht als ein Traumatisierter. Aber Bubis spricht auch als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Als solcher hat er eine Verantwortung. Auch gegenüber den Nichtjuden. Eine Verantwortung für ein ziviles Gemeinwesen.

Die „Neue Rhein/Neue Ruhr-Zeitung“ kommentiert die Lage der SPD: Wie geladen die Atmosphäre im SPD-Präsidium ist, läßt sich zwischen den Zeilen lesen oder Bemerkungen entnehmen, die Lafontaine scheinbar nebenbei fallenläßt. Daß starke Persönlichkeiten wie Wolfgang Clement sich nicht gern an die Kandare nehmen lassen, ist eine Sache. Eine andere ist, daß die SPD-Regierungschefs den Anfängen wehren müssen, jede spannende Sachdebatte so lange dem Windkanal des SPD-Präsidiums zu unterziehen, bis eine stromlinienförmige Erklärung gefunden ist. Lafontaine und Schröder hätten allerdings schon von Kohl lernen können, daß man sich den Montag für die Partei freischaufeln muß.

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