: Antworten auf Letzte Fragen
Was ist Humbug? (28.11.98)
1786 schrieb der Hannoveraner Philosoph Friedrich von Speyer in seinem Ethik-Bändchen „Kleine Seelenkunde für Kinder“ (Schulbuchverlag Wolffenbüttel), es sei „wohlgethan, dem schwächeren Kameraden ruhig eynmal zu zeigen, wo Barthel den Most hole“, weil sich dadurch die eigene Stärke und Position „im thäglichen Kampfe des Lebens“ bisweilen eindrucksvoll festigen lasse. Nun möchte man meinen, daß bereits 1786 ein kleines dünnes Schulbuch nicht übermäßig viele eifrige Leser gefunden hätte. Jedoch kam es ob dieser Passage zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen von Speyer selbst und dem Leipziger Commerzienrat Hans-Otto Thalbach. Thalbachs Sohn Ekkehard nämlich hatte sich den Rat von Speyers zu Herzen genommen und sich binnen kurzem zum „übelsten Galgenstricke und Thunichtgut unserer Lehranstalt“ entwickelt (Schularchiv Leipzig, Etrg. 46/1786). Was schließlich und endlich mit Schulausschluß und Einweisung in eine Besserungsanstalt endete. Thalbach schrieb daraufhin einen geharnischten Brief an von Speyer, in dem er ihn bezichtigte, „in unverantworthlichster Weyse auf unsere Jugend eynzuwirken“ und damit größeren Schaden anzurichten, „als die zunehmende Gottlosigkeit dieser Welt“ je imstande wäre. Von Speyer antwortete hierauf in einer langatmigen und ermüdenden Ausführung. Thalbach hätte die Sache wohl auf sich ruhen lassen, wäre da nicht Speyers kleiner Nebensatz gewesen: „Überdies denke ich, dass es nicht alleyn an eynem Schulbuche liegen kann, wenn sich ein Kind aufführt wie vom Teuffel besessen.“ Dieser Satz brachte Thalbach so in Rage, daß er im Rahmen einer Reise nach Hannover von Speyer persönlich aufsuchte und ihm einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt bescherte. Vor dem Hannoveraner Richter sagte Thalbach aus, er lasse sich nicht „von eynem dahergelaufenen, sogenannten Philosophen die Ehre abschneyden, indem er behauptet, ich erzöge meine Kinder nicht im Sinne einer gottesfürchtigen und ehrbaren Weltanschauung. Überdies ist er ein Haderlump.“ (Hannoveraner Stadtblätter, Januar 1787, Bibl. d. Welffen-Museums, Hannover) Aufgrund seines hervorragenden Rufes kam Thalbach ungeschoren davon, von Speyer hingegen verfaßte das Theaterstück „Der Thyrann“, dessen Hauptfigur „Thalmann“ nicht nur reichlich unzureichend namentlich getarnt war, sondern auch sonst ziemlich offensichtlich dem Leipziger Commerzienrat nachempfunden war. Das Stück wurde jedoch nie aufgeführt. Dies sollte die Frage ausreichend beantworten. Schließlich ist es kompletter Humbug.Lorenz Ritter, Hamburg
Englisch für „Brummkäfer“, also meistens: viel Lärm um nichts. Die einfachere Variante sorgt als „Bug“ allerdings für viel Ärger bei Computerbenutzern.Dr. Tewes H. Wischmann,
Heidelberg
Wenn jemand auf die Frage, was Humbug sei, antwortet, daß das Wort Himbig, aus der chinesischen Zentralmongolei stammend, von den Horden des Dschingis Khan über Sibirien und Alaska bis vor die Tore Wiens gebracht wurde, wo es als Hembeg belegt werden konnte, von dort aber von einem italienischen Kaffeehändler als Hombog aufgeschnappt und auf einem Elefanten über die Alpen transportiert wurde, von der Schweiz, als Hambag verstanden, in den Löchern eines Käselaibes nach Deutschland geschmuggelt wurde, wo es fälschlicherweise als Humbug gedeutet wurde und sich bis heute als Bezeichnung von Käse halten würde, dann ist das ein ausgesprochener Humbug.Gerhard Drexel, Berlin
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Wie halten es die Dachdecker? (28.11.98)
Fragen wir zunächst: Was halten die Dachdecker? Dann wissen wir vielleicht auch, wie sie es halten. Klar: Dachdecker halten Bierflaschen und Dachziegel. Ließen wir dies so verkürzt stehen, wäre es aber eine Diskriminierung des Dachdeckerstandes. Natürlich halten Dachdecker auch ihr Frühstücksbrötchen, das Steuerrad und die Dachdeckersfrau. Also: Sie halten alles mögliche. Und da sie die Dachdeckersfrau gewiß anders halten als den Dachziegel – von anderem ganz zu schweigen –, halten sie es in unterschiedlichster Weise, jeder nach seinen Fähigkeiten. Ergo: Der Dachdeckermodus, etwas zu halten, korreliert unmittelbar mit dem oder der zu Haltenden und kann sich durch außerordentliche Variabilität auszeichnen, die wiederum in Relation steht zur individuellen Handlungskompetenz des jeweiligen Subjekts.Tilmann Eysholdt, Hamburg
Ist doch ganz einfach: Hiwwe nuff un driwwe nunner (auf der einen Seite hoch, auf der anderen runter)!Matthias Lang, Mannheim
Hoch!Lars-Michael Rolf
Sie verkörpern das Wort „egal“. Wenn sie auf dem Dachfirst sitzen, ist es egal, wohin sie spucken. Sie können rechts oder links runterspucken. Ob dies möglichen Passanten auch egal ist, interessiert aus der Perspektive der Dachdecker nicht.Heinz Sigmund, Mannheim
Ganz, ganz fest, damit nichts nach unten fällt und den übrigen Mitarbeitern der anderen Gewerke nicht das Schädeldach zerschmettert wird. Dachdecker haben nämlich eine große Hochachtung vor jeglicher Art von Dächern.Martin Löffelholz, Osterrönfeld
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Was passiert mit den Fischen, wenn der Blitz in den See einschlägt? (28.11.98)
Sie blinzeln.Thomas, Lübeck
Sie werden zu Zitteraalen.Sebastian Niehaus, Hamburg
Die Fische müssen im Wasser sicher sein, denn ansonsten wären Wassertiere längst ausgestorben. Ich würde vermuten, daß das Wasser einen Faradayschen Käfig bildet, d.h., der Strom fließt um den Fisch herum statt durch ihn hindurch.David Seim, Bonn
Die Fische, die Erfahrung im Überwinden von Stromschnellen haben, wie z.B. Lachse, läßt der Blitz völlig kalt. Den anderen wird es zwar warm unter der Flosse, aber sie überleben dank ihres eingebauten Blitzableiters in Form der sog. Seitenlinie.Uta Eckensberger, Saarbrücken
Wenn ein Blitz ins Wasser einschlägt, springen die Fische wie elektrisiert in Sekundenschnelle am Blitz entlang zu den Wolken hinauf. Dort warten sie, bis sich ein Regenbogen gebildet hat. Dann rutschen sie auf ihm wieder zurück in den See. Von daher soll die Regenbogenforelle ihren Namen haben.Gerhard Drexel, Berlin
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Wovor schützt eine Schutzgebühr? (21.11.98)
Die Schutzgebühr schützt die Kataloge versendende Firma vor dem Dualen System Deutschland. Man entrichtet sie nämlich für den Schutzumschlag. Die Plastikverschweißung eines Katalogs ist somit nicht mehr Verpackung, sondern Wirtschaftsgut, und deshalb ist auch kein Grüner Punkt drauf.Olaf A. Cirpka, Stanford, USA
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Was ist das Gegenteil eines Tunnels? (21.11.98)
a) Ein massives, in Fahrtrichtung auf der Straße liegendes, längs halbiertes, steinernes Würstchen (flache Seite unten!). Es dient dazu, einen bestimmten Wegabschnitt gezielt vor weiterer Durchfahrt zu schützen. Meist ist es – leider allzuoft erfolglos – aus ästhetischen Gründen außen verkachelt.
b) Sehr selten. Wer es sucht, sollte nach imaginären Bergen Ausschau halten.Thomas Lübeck, Goch
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Woher kommen Popel? Woraus bestehen sie? Sind sie nahrhaft? (14.11.98)
Das sind ja gleich drei Fragen auf einmal. Das geht nun wirklich nicht. Zur Frage.
a) Wesen und Herkunft: Beim Popel handelt es sich um einen sogenannten FDP-Auswurf aus der Nase, mit dem der Aufruf „Friß Deinen Popel“ in Verbindung gebracht wird.
b) Nahrhaftigkeit: Diese ist durch die fehlende Wählergunst bei den Bundestagswahlen erwiesenermaßen nicht gegeben.
c) Michael Matthies' abweichende Meinung:
aa) Die Nahrhaftigkeit ergibt gerade aus dem Abschneiden der Popelpartei bei den Wahlen, die sich ja immerhin trotz meist rotzigen bis schleimigen Auftretens hartnäckig und popelgleich im Bundestag gehalten hat – und das seit Jahrzehnten (Nahrhaftigkeit im weiteren Sinne).
bb) Weiterhin ist die Nahrhaftigkeit bewiesen durch das Überleben eingeschlossener Bergleute oder anderweitig Verschütteter, die wochenlang nur von Rotz & Wasser gelebt haben sollen (Nahrhaftigkeit im engeren Sinne).
cc) Popel ist als Nahrungszutat resp. Zubereitungsweise schon traditionell anerkannt – man betrachte nur den Kindervers „Eier- POPeier“. Bekannter dürften freilich Soleier sein.Michael Matthies und
Clem-Carlos Schermann,
Hannover
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Wie funktioniert eine chinesische Schreibmaschine? (14.11.98)
Die wörtliche Übersetzung des chinesischen Wortes für Schreibmaschine offenbart, daß es sich nicht um ein Gerät unseren Typs handeln kann. Die „Schreibbank“ stelle man sich wie eine Schulbank aus der Jahrhundertwende vor: Mit der Sitzbank ist der Tisch fest verbunden, auf dem Tisch die Tastatur, das ganze aber vier Meter breit. Aufgrund der vielen Schriftzeichen sitzen sechs Chinesen an einer „Schreibbank“. Jeder sitzt immer an seinem einstudierten Platz und beherrscht die ihm zugewiesenen Zeichen.
Gleichermaßen bestand das Ur- Altdeutsch aus Tausenden von Buchstaben, so konnte jeder Dialekt entsprechend seiner Aussprache geschrieben werden. Auch bei uns wurden damals die Buchstaben auf verschiedene Schreiber aufgeteilt. Die Verteuerung des Faktors Arbeit führte jedoch schon früh zur ersten Buchstabenreduktion. Es sollten noch 27 weitere folgen. Die letzte kam, als die ersten Schreibmaschinen in deutschen Ämtern stehen sollten. Da einigte man sich schnell noch auf die heute benutzten Selbst- und Umlaute, um die Beanspruchung der damaligen Beamten zu verringern. So haben Rationalisierung und Profitstreben uns jener Möglichkeit beraubt, die den Chinesen jederzeit offensteht: durch die Produktion von „Schreibbänken“ Arbeitsplätze zu schaffen.Björg Kleis
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