: Schönheitsverbot glatt ignoriert
Beim 2:1 im Waldstadion wirbelt Schalke die Frankfurter Abwehr durcheinander und läßt erkennen, daß der Abstieg nur für eins der beiden Teams ein Thema ist ■ Von Klaus Teichmann
Frankfurt (taz) – „Es ist wichtig, die richtigen Ergebnisse herauszuspielen. Schöner Fußball bringt nichts.“ Diese Maxime hatte Schalke-Coach Huub Stevens nach dem ernüchternden 1:4 in Kaiserslautern ausgegeben. Wie so oft, sollte der Rückgriff auf die populistischste aller Fußball-Dichotomien den Erfolg zurückbringen: Ästhetik und Effizienz werden als einander widerstrebende Pole gesetzt und... na ja, lassen wir das. Zum Spiel: So richtig hielt sich das Schalker Team nicht an die strenge Trainer-Anweisung. Im Gegenteil: Wunderschönen Fußball zeigten die Königsblauen beim Gastspiel in Frankfurt, düpierten ein ums andere Mal die hüftsteife Eintracht- Abwehr mit gekonnten Direktkombinationen und erspielten sich Chancen am laufenden Meter. Daß dabei am Ende ein 2:1-Sieg heraussprang, dürfte auch den grantelnden Stevens besänftigt haben.
Erstmals hatte er, trotz hervorragender Leistungen des jungen Matthias Schober in den vergangenen Wochen, den Ex-Bremer Oliver Reck ins Tor gestellt, denn im Abstiegskampf „brauche ich jemanden mit Erfahrung, der von hinten heraus coacht“. Derart arbeitsteilig betreut, stand die Schalker Deckung auch ohne den verletzten Olaf Thon ungewohnt sicher – von Frankfurter Angriffsspiel konnte zumindest in den ersten 80 Minuten ohnehin keine Rede sein. Verloren und vereinsamt rannte Mittelstürmer Jan- Aage Fjörtoft durch die Schalker Reihen und spielte mit Van Hoogdalem die Fabel vom Hasen und vom Igel nach. Überflüssig zu erwähnen, daß der stets etwas ungestüm wirkende Norweger den undankbaren Part des Hasen übernommen hatte. Van Hoogdalem erzielte dann auch die Schalker Führung – einen indirekten Freistoß donnerte er vom Fünfmeterraum aus unter die Latte. Eintracht-Goalie Nikolov hatte zuvor mangelhafte Regelkunde an den Tag gelegt und einen der unzähligen Bindewald-Abpraller mit der Hand aufgenommen.
Von da an kreiselte der Ball nur so durch die blau-weiße Angriffsabteilung: Mulder und der überragende Eijkelkamp gaben ihre Gegenspieler Pedersen und Kutschera bisweilen der Lächerlichkeit preis, und wenn doch einmal etwas anzubrennen drohte, griff Jiri Nemec stets mit einem wohldosierten taktischen Foul ein. Als Kmetsch kurz vor der Pause nach Vorarbeit von Eijkelkamp zum 2:0 traf, versteinerte sich endgültig die Miene dessen, der immer so drollig auf dem Gartenstühlchen an der Seitenlinie sitzt. Horst Ehrmantraut spürte spätestens jetzt wieder den eisigen Wind, der ihm bisweilen in Frankfurt entgegenweht.
Oliver Reck konnte es sich bei der Schalker Überlegenheit sogar noch leisten, am Ruf seiner Unsterblichkeit zu basteln. Kurz vor Schluß gab Pannen-Olli eine seiner Einlagen zum besten, diesmal einen neu einstudierten Volleyball- Sketch: Er pritschte das Leder Fjörtoft vor die Füße, dessen Schmetterball saß – 1:2 und Aufschlagwechsel, doch auch dieses Nikolausgeschenk animierte die Eintracht nicht zu mehr.
„Wir sind vieles schuldig geblieben“, resümierte Ehrmantraut nach dem Spiel. Nach nun drei Niederlagen in Folge findet man sich dort wieder, wo man wohl auch bleiben wird: im Abstiegssumpf. Nicht mehr lange – dies zeigte das Spiel eindrucksvoll – wird den Hessen dort Schalke 04 Gesellschaft leisten. Aus derart überzeugenden Auswärtserfolgen läßt sich eine Menge Selbstvertrauen schöpfen, zumal das Synonym für Schalker Tugenden, Marc Wilmots, nach 70 Minuten sein Comeback feierte.
Der schwache Auftritt seiner „Jungs“ dürfte obendrein Ehrmantrauts Standing im Dickicht der präsidialen Eintracht-Eitelkeiten nicht gerade verbessert haben, auch wenn der inzwischen aus Thailand zurückgekehrte Präsident Heller verlauten ließ, er könne sich „eine Zusammenarbeit mit Ehrmantraut über die Saison hinaus vorstellen“. Windelweiche Aussagen mit der inhaltlichen Schwere einer Schneeflocke dominieren derzeit noch am burgbefriedeten Riederwald. Doch schon bald ist Weihnachten.
Schalke 04: Reck – Müller – van Hoogdalem, van Kerckhoven – Eigenrauch, Nemec, Kmetsch, Goossens (59. Latal) – Mulder – Max, Eijkelkamp (77. Wilmots)
Zuschauer: 33.000; Tore: 0:1 van Hoogdalem (20.), 0:2 Kmetsch (38.), 1:2 Fjörtoft (80.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen