: Abschiebehaft gehört abgeschafft –betr.: „Lockere Haft oder echter Gewahrsam“, taz vom 30. 11. 98
[...] Ich bin ehrenamtlicher Betreuer des in dem Artikel erwähnten Bürener Abschiebeknastes und kämpfe daher aus Überzeugung für die Abschaffung der Abschiebehaft. Wer einmal mit ansehen mußte, wie sich ein Mann von seiner Frau und seinen Kindern verabschiedet, der bei seiner Abschiebung um sein Leben fürchten muß, wer mit Menschen gesprochen hat, die versucht haben, sich in Abschiebehaft das Leben zu nehmen, um in ihren Herkunftsstaaten den Folterern zu entfliehen, und wer Menschen kennengelernt hat, die Monat für Monat in einem Gefängnis untergebracht werden, ohne daß sie straffällig geworden sind, der sieht ein, daß Abschiebehaft völlig inhuman ist und kann konsequenterweise nur die Abschaffung fordern. Nun zu dem eigentlichen Artikel:
Leider kennt die Reporterin den „Zaun“ um den Knast wohl nicht, ansonsten hätte sie dieses Zitat nicht unkommentiert stehen lassen. Es handelt sich hierbei nämlich um eine sechs Meter hohe, 780 Meter lange, massive Betonmauer. Außerhalb dieser Mauer ist ein Zaun, der mit Videokameras überwacht wird. Innerhalb befinden sich einzelne „Käfige“, die wiederum von einem hohen Zaun umgeben sind, und nur in diesen „Käfigen“ dürfen sich die Gefangenen unter Aufsicht frei bewegen. Die Mauer ist nur an einer Stelle unterbrochen, dort befindet sich eine Schleuse, in dem Besucher gründlich durchsucht werden. Auch stimmt es zwar, das man „'ne alte Kaserne genommen“ hat, doch ist diese für 35 Millionen Mark zu einem Hochsicherheitsgefängnis umgebaut worden.
Die Besuchszeit ist zwar relativ großzügig geregelt, aber die JVA ist für Angehörige nur schwer zu erreichen. Das Gefängnis liegt acht Kilometer von Büren und 20 Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt. Es gibt keinen öffentlichen Nahverkehr. Angehörige, die selber Flüchtlinge sind, benötigen zudem noch eine Besuchsgenehmigung ihrer Ausländerbehörde und müssen die Fahrkosten von ihren 80 Mark Taschengeld bezahlen. Zudem ist die Besuchszeit sonntags und bei Andrang auf eine Stunde begrenzt.
Mit dem Telefonieren ist es leider auch nicht ganz so einfach wie geschildert. Zwar steht in jeder Abteilung ein Kartentelefon, aber woher soll man die Karten nehmen, wenn man nur 12,95 Mark Taschengeld pro Monat erhält, die für Tabak und Lebensmittel verbraucht werden? Und selbst wer in den Genuß einer Telefonkarte gekommen ist, muß mit dieser sehr sparsam sein, da sie die einzige Möglichkeit darstellt, Kontakte zu Rechtsanwälten oder Verwandten herzustellen. Anrufen kann man einen Gefangenen nicht.
Es ist also nichts anders in Nordrhein-Westfalen. Jeder, der sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat, kann daher nur fordern: Abschiebehaft abschaffen. Frank Gockel, Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V., Paderborn
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