: Täter-Opfer-Maschine: Stallone in Hamburg
Mit denen die Presseabteilung klingelt. Seit die amerikanische Film-Major-Company Warner Bros. einen Sitz nach Hamburg verlegt hat, häufen sich an Alster und Elbe die Deutschlandpremieren. Und in ihrem Gefolge geben sich Hollywoods Hochkaräter die Klinke in die Hand. Erst waren Wolfgang Petersen und Dustin Hoffmann in Sachen Breakout unterwegs, dann flatterte Batman premierenpartytechnisch durch die Wandelhallen des Hamburger Hauptbahnhofs, dann holte sich Clint Eastwood den Preis des Hamburger Filmfestes ab. Und am Dienstag stellte nun Sylvester Stallone im Grindel zwei Wochen vor dem regulären Bundesstart den neuesten Film vor, in dem er die Hauptrolle spielt: Assassins, in der Regie von Richard Donner.
Petersen hin, Eastwood her und allem liebgewordenen Veralbern dieses Schauspielers zum Trotz: Der größte Star in der Folge der bestimmt nicht kleinen Stars, die Hamburg bislang aufgesucht haben, das ist Sylvester Stallone. Längst ist er einer der mächtigsten Männer Hollywoods. So fragt sich: Woher kommt es nur, daß Stallone so groß geworden ist?
Jan Philipp Reemtsma hat kürzlich in einem Vortrag darauf hingewiesen, daß sich Täter oft selbst zu Opfern stilisieren und daß das sowohl im Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit Draußen vor der Tür der Fall war wie auch im Amerika nach dem Vietnamkrieg mit den Rambo-Filmen. Das ist ein Ansatz, der bei Stallone tatsächlich weiterführt. Anders etwa als Arnold Schwarzenegger präsentiert er nicht einfach eine machtvolle Mannmaschine, das Raffinement Stallones besteht darin, daß er den an den Machtpol angeschlossenen, aber geschundenen Männerkörper zeigt. In kaum einem seiner Filme fehlt eine Folterszene (auch manche Boxsequenz aus Rocky ist nicht anders zu lesen), zugleich aber wird in diesen Szenen Stallones Körper stets besonders eindrucksvoll präsentiert. Einen Täterkörper haben und trotzdem Opfer sein: Diese Strategie macht Sylvester Stallone für so viele Zuschauer so anschlußfähig – wobei wir uns von dem Faszinosum dieser Ambivalenz gar nicht ausschließen wollen. Stallone, das ist die Täter-Opfer-Maschine in Perfektion.
Das heißt: Er war es. Denn Assassins ist anders. Kein Comic. Kein High-Tech-Märchen mit den Strukturen einer Männerphantasie. Assassins ist ein verdammt guter und unbedingt sehenswerter Thriller, an dem nur wenig zum Meisterwerk fehlt. Und Sylvester Stallone ist darin über weite Strecken ein perfekter Schauspieler. Als Studie des Unbeteiligtseins, so legt er seine Rolle eines Killers an, der von einem anderen Killer verfolgt wird – so anders ist Assassins also doch nicht, denn da ist sie wieder, die Täter-Opfer-Ambivalenz. Dirk Knipphals
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