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Arbeit durch Umweltschutz

■ Sinneswandel bei der Bau-Gewerkschaft / Nicht immer nur Autobahnen bauen / „Grüner Bann“ für unökologische Projekte? Von Kai von Appen

Die Gewerkschaft „Bau Steine Erden“ (BSE) bricht zu neuen Ufern auf. Kurz vor der Fusion mit der Gewerkschaft „Gartenbau, Landwirtschaft, Forsten“ (GGLF) treten ökologische Aspekte in den Mittelpunkt: „Bauen und Umweltschutz schaffen Arbeitsplätze“, so die These. Auf der Fachtagung „Bauen und Umweltschutz – ein Gegensatz?“ am Sonnabend in Hamburg formulierte es der designierte Boß der neuen Gewerkschaft „Bauen, Agrar, Umwelt“, Klaus Wiesehügel, so: „Wir müssen in der Lage sein, zu diskutieren, ob die Autobahn immer das richtige Konzept ist.“

Dieser Sinneswandel kommt nicht von ungefähr. Auch die Baugewerkschafter erkennen immer mehr, daß Baugrund knapp wird und überflüssiger Straßenbau Nah-erholungs- und Naturschutzgebiete zerstört. Die alte These „Umweltschutz vernichtet Arbeitsplätze“ sei eine eklatante Fehleinschätzung.

Die wissenschaftliche Untersuchung „Baugewerkschaft 2000“, im Auftrag der Gewerkschaftsspitze erarbeitet, kommt zu dem Ergebnis, daß durch Umweltschutz schon jetzt 600.000 Arbeitsplätze geschaffen worden seien – ein Drittel entfalle dabei auf die Baubranche. So würde mancher Baubetrieb gar nicht mehr bauen, sondern sei im „reparierenden Umweltschutz“ tätig. Wiesehügel: „Heute wird nicht mehr abgerissen, sondern Sortieren und Rückbau ist die Devise, um die Sekundärstoffe recyceln zu können.“ Allein im Gewässerschutz und bei der Instandsetzung von Wasser- und Abwassernetzen müßten 200 Milliarden Mark investiert werden. Jede Milliarde schaffe 10.000 Arbeitsplätze.

Der Mecklenburger GGLF-Landeschef Volker Schlotmann fordert von der neuen Gewerkschaft „Bauen, Agrar, Umwelt“ konsequentes Vorgehen zum Schutz der Natur. Die australische Bauarbeitergewerkschaft zum Beispiel habe den „Grünen Bann“ eingeführt für Projekte, die gegen Natur- und Umweltschutz verstießen. Schlotmann: „Kein Bauarbeiter faßt da ein Stück an.“

Ein Mittel, das auch deutsche Gewerkschafter anwenden könnten? Zumindest der Bau der Autobahn A20 von Rostock über Lübeck nach Hamburg scheint manchem BSE-Funktionär überflüssig. Eine Bundesstraße, so Wiesehügel, täte es wohl auch und würde zudem „wesentlich mehr Arbeitsplätze schaffen, vor allem für mittelständische Unternehmen aus der Region“.

Verhaltene Kritik an dem gewerkschaftlichen Sinneswandel kam von der Hamburger GAL-Bürgerschaftsabgeordneten Antje Möller: Die Gewerkschaft habe „keine ökologische Position“, sondern würde nur auf Arbeitsplätze schielen. Möller mahnt vor Halbherzigkeit. Ihr Beispiel: „Bauhilfsstoffe und Chemie in der Branche haben sich verzehnfacht.“ Hier seien die Gewekschaften gefordert, „etwas zu ändern“. Wiesehügel gesteht: „Wir wollen kein Umweltverband sein und auch keine (grüne) Partei ersetzen.“

Um die neue Linie an der Basis durchzusetzen, muß allerdings noch viel getan werden. Denn die Angst vor Arbeitsplatzverlusten ist noch immer weit verbreitet. Ein Bauarbeiter brachte es in Sachen „Grüner Bann“ auf den Punkt: „Wenn wir die Arbeit nicht machen, dann schickt der Chef uns nach Hause. Der Pole steht schon der Tür und macht die Arbeit für sieben Mark.“

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