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■ Urdrüs Wahre KolumneSchweinesystem-Ende naht

Damals bei Borttscheller daheim. Im Kinderzimmer spielt der kleine Ralf Hubertus wieder mal Notar, mit dem Stempel aus der Kinderpost und den gewendeten Briefumschlägen aus dem väterlichen Papierkorb. Irgendwann will der Nachbarsjunge nicht mehr den Mandanten machen. Wird verhaftet und ist im neuen Szenario der Gefangene des hanseatischen Polizeisenators ... Inzwischen ist genügend Wasser die Weser hinuntergeflossen, um eindeutig feststellen zu können: Manche Knabenträume bleiben besser unerfüllt. Wenn Marshal Borttscheller jetzt der evangelischen Christenheit Rechtsbruch wegen Kirchenasyl vorwirft, dann muß dieser Plateau-Schuh-Demagoge zurück auf die Konfirmandenbank geschickt werden, damit er das mit dem Stall zu Bethlehem und der Flucht vor dem bitterbösen Herodes noch mal unter verständiger Anleitung nachlesen kann. Und als Buße sei ihm auferlegt, bei der Weihnachtsfeier für Obdachlose in reinlichen Windeln das Kind in der Krippe zu mimen. Susanni, susanni, susanni!

Im Fotoladen unweit des Hauptbahnhofs will ein uralt Mütterlein wissen, ob die Abzüge vom Freimarktsbummel mit den Urenkeln noch vor Heiligabend fertig werden. „Kein Problem,“ weiß der jugendliche Dynamiker hinter dem Tresen. „Es geht bei uns von einem Tag auf den anderen.“ Sofort erkennt die lebensweise Dame den Nachteil solcher Hexerei. „Wenn das so schnell geht, da kann doch kein Mensch seinen Broterwerb von haben. Da ist das mit der Arbeitslosigkeit ja kein Wunder.“ Der Kerl grinst: „Das ist ja ganz schön romantisch, aber so geht das eben heute nicht mehr.“ Oma aber weiß Bescheid: „Wie verrückt das alles ist, merkense erst, wennse stempeln gehen müssen.“ Da hat der Jüngling nicht mehr gelächelt und nur noch gesagt: „Stimmt, Januar ist es soweit.“

Erst war mir vorm Abflug nach New York die Brieftasche geklaut worden. Dann gingen auf der Rückreise im Bermudadreieck von Lufthansa, Singapur Airlines und JFK-Airport gleich zwei Koffer verloren. Und als erste Nachricht empfängt mich in Deutschland die Meldung von der Bombardierung Bagdads. All das hängt zusammen, aber helfen wird es dem Schweinesystem nichts mehr: Der farbige Taxifahrer teilte mir auf dem Weg zum Flughafen mit, daß Dschiesäs Kraist im nächsten Jahr persönlich nach Amerika kommt und das verrottete Establishment davonjagt, und dann wird es Peace und Justice ohne Ende geben, für Black and White and even for the Jews, halleluja! Der Prophet hat genügend Trinkgeld bekommen, so daß der Rückkehr des Paradieses wenig im Wege steht.

Frohes Fest, guten Rutsch – und wenigstens ein paar Gallensteine auf die Türme der Herrschaft und ihre Fensterscheiben, bis das Kriegmachen aufhört, mahnt

Ulrich „Amen“ Reineking

PS.: Einer mit Zettel, in der Sögestraße : „Lieber betteln als stehlen!“ Eine Passantin: „Wenn alle so denken würden wie Sie, sähe diese Welt besser aus!“ Es spricht die Hoffnung überall...

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