Der Countdown läuft
: „Ich kann mit dem Fest nichts anfangen“

■ Für Weihnachtswünsche bleiben noch drei Tage Zeit: Der sächsische Musiker Gotthold Müller (50) hat ein gebrochenes Verhältnis zu Weihnachten, weil er keine eigene Familie hat

Ich habe zu Weihnachten, wofür Sie nichts können, ein gebrochenes Verhältnis. Ich komme aus Dresden und kann mit dem Fest nichts anfangen. Nicht, daß ich nicht wüßte, was das Fest bedeutet. Schließlich steht das in der Bibel, und ich bin Christ.

Aber ich kann mit dem ganzen Thema Weihnachten nichts anfangen. Das hat auch damit zu tun – wofür niemand kann, ich nehme das auf mich –, daß ich keine Frau und keine eigene Familie habe. Sonst wäre das sicher anders. Ich habe auch keine Wünsche. Aber für dieses Jahr habe ich mir zufällig, das könnte auch zu Ostern oder zu Pfingsten sein, von meiner Mutter ein Buch gewünscht.

„Wie Glanz vom alten Gold“, 350 Seiten, mit über 300 Abbildungen. Über das 450jährige Bestehen der sächsischen Staatskapelle Dresden, das ist das Opernorchester der bekannten Semperoper. Und dieses Buch ist so hervorragend! Ich verkehre natürlich mit dem Autor, wie das so bei uns unten in Sachsen ist, da kennt jeder jeden. Und das Buch ist mein Weihnachtswunsch, das ist der ganze Segen. Ansonsten mache ich nichts, nichts, nichts, weil ich diese feierliche Stimmung nicht verstehe. Nur wenn meine Mutter einen Zweig oder einen Baum anmacht, tue ich das auch. Mein gebrochenes Verhältnis zu Weihnachten ist rein gefühlsmäßig, das läßt sich nicht lokalisieren.

Die Musik auf den Märkten und Straßen tut noch ihr übriges dazu, weil das grauenhaftes, sentimentales Geklingel ist, das musikalisch bis auf ein paar Ausnahmen gar nichts taugt. Im Fall von Bachs Weihnachtsoratorium, Bachs Magnificat und Schütz' Weihnachtshistorie ist das ja was anderes, weil diese Stücke Kunstmusik sind und keine Unterhaltungsmusik für die Buden. Ich bin selbst Musiker. Ich spiele Klavier und Orgel, ein bißchen Schlagzeug noch dazu und dirigiere. Aufgezeichnet von:

Barbara Bollwahn de Paez Casanova

wird fortgesetzt