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Süße Rache im Sekundentakt

Den Green Bay Packers droht nach ihrer unglücklichen Niederlage im Play-off-Match der Football-Liga NFL bei den San Francisco 49ers das Ende einer großen Ära  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Brett Favre scheute keinen Superlativ, nachdem seinen Green Bay Packers am Sonntag nur drei Sekunden zum Einzug in die zweite Play-off- Runde der National Football League (NFL) gefehlt hatten und sie am Ende doch mit leeren Händen dastanden. „Jeder, der dieses Spiel gesehen hat, muß es für das größte Match halten, das er je erlebte“, sagte der Quarterback nach der dramatischen 27:30-Niederlage bei den San Francisco 49ers. „Große Spieler vollbringen in großen Matches große Taten“, lobte er dann gleichermaßen sich selbst und Steve Young, seinen 37jährigen Kollegen im 49ers-Dress. Der hatte drei Sekunden vor Schluß mit einem erstaunlichen 25 Yard- Paß auf Terrell Owens, der den Ball tatsächlich fing, was noch erstaunlicher war, eine so gut wie verlorene Partie noch herumgerissen.

„Ich sah auf die Uhr, und sie tickte und tickte und tickte“, erinnerte sich Owens, nachdem er, umringt von gegnerischen Abwehrspielern, den entscheidenden Touchdown vollbracht hatte. „Ich habe keine Ahnung, wie sie das geschafft haben“, sagte Packers- Coach Mike Holmgren, „der Ball kommt in der Mitte runter, und du denkst nie im Leben, daß er gefangen werden kann.“ Schon gar nicht von einem Spieler, der vorher fünf Pässe fallengelassen hatte und wohl den Sündenbock für die 49ers abgegeben hätte, wenn ihm der letzte Ball auch noch durch die Finger geflutscht wäre. „Ich hatte einen harten Tag“, sagte Owens, der nach dem erlösenden Touchdown vor Glück weinend seinem Coach Steve Mariucci um den Hals fiel. Der hatte ihm nach seinen Mißgeschicken geraten, „ein kurzes Gedächtnis“ zu haben und einfach weiterzuspielen.

Bitter enttäuscht war Brett Favre, der die Packers 1:56 Minuten vor Ende mit einem Touchdown-Paß auf Antonio Freeman 27:23 in Führung gebracht hatte. „Ich dachte, wir haben sie“, meinte der 29jährige, der eine eher mäßige Saison, in der die hohe Zahl von 23 seiner Pässe in gegnerischen Reihen landete, hinter sich hat. „Aber Young ist ein großartiger Spieler“, fügte er hinzu, „ich dachte mir, daß sie nicht ohne weiteres untergehen.“

In den letzten Partien der beiden Teams waren die 49ers immer untergegangen. Fünfmal hintereinander hatten sie verloren, und in den letzten drei Jahren war Green Bay stets die Endstation in den Play-offs gewesen. „Das ist eine süße Rache“, freute sich nun Steve Young, der mit einem – allerdings umstrittenen – Drive über 76 Yards seinen finalen Paß vorbereitet hatte. Stein des Anstoßes war ein „Fumble“ von Receiver Jerry Rice, der normalerweise Ballbesitz für die Packers und damit deren sicheren Sieg bedeutet hätte. Die einsetzende Partystimmung beim Team aus Wisconsin endete jedoch abrupt. Die Schiedsrichter hatten nichts gesehen, und da ein Gremium, dem unter anderem Green- Bay-Coach Mike Holmgren angehörte, kürzlich den Videobeweis für die Play-offs abgelehnt hatte, blieb San Francisco im Angriff. Nach mehreren schwerwiegenden Fehlentscheidungen der Referees in den letzten Wochen, ist es äußerst wahrscheinlich, daß der Videobeweis für die nächste Saison wieder eingeführt wird – und diesmal dürfte auch Mike Holmgren dafür sein.

Ob er dann allerdings noch als Chefcoach in Green Bay arbeitet, ist fraglich. Denn die Packers, die vor zwei Jahren die Super Bowl gewannen und sie letztes Jahr gegen Denver verloren, stehen nach ihrem plötzlichen Play-off-Aus vor einem Neuaufbau. Manche sprechen sogar vom Ende einer Ära. Ihr bester Defensivspieler Reggie White hört auf, eine Menge Verträge laufen aus, und Holmgren, der auch schon Offensivkoordinator bei den 49ers war, wird nachgesagt, daß er gern noch irgendwo anders beweisen würde, welch guter Trainer er ist. „Es ist allein seine Entscheidung“, stellte Green-Bay-Manager Ron Wolf klar, daß er den Coach gern halten würde. „Ich möchte dazu jetzt nichts sagen“, erklärte Holmgren, sagte dann aber verräterische Sätze wie: „Es war eine Ehre für mich, Brett Favre zu coachen.“

Andere, weit angenehmere Sorgen haben die San Francisco 49ers. Ihnen steht am kommenden Samstag ein schweres Match bei den Atlanta Falcons bevor, wo sie um den Einzug ins Halbfinale der National Football Conference (NFC) spielen. Dort träfen sie vermutlich auf das beste Team der Saison, die Minnesota Vikings, vorausgesetzt, diese gewinnen gegen Dallas-Bezwinger Arizona. In der AFC kommt es am Samstag beim Match der Denver Broncos gegen die Miami Dolphins erneut zum Duell der Star-Quarterbacks John Elway und Dan Marino. Der Sieger spielt gegen die Jacksonville Jaguars oder die New York Jets.

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