: Viersprachiges Land
■ Eine Vorschau auf die 23. Literarische Woche, die sich der Schweiz widmen wird
Fuatscha grassa“ – klingt nach einer gewaltigen Tracht Prügel. Aber weit gefehlt. „Fuatscha grassa“ ist nur der rätoromanische Begriff für Sahne. Und die Sahne der rätoromanischen Literatur – es kommt eben doch darauf an, daß man die richtigen Übergänge nimmt – ist in der nächsten Woche zu Gast in Bremen. Das klingt nach einer irrwitzig exotischen Performance, ist aber in Wirklichkeit Teil eines seit 1954 jährlich wiederkehrenden Bremer Rituals.
Denn im Anschluß an die Verleihung des Bremer Literaturpreises 1999 beginnt die 23. Literarische Woche. Und die widmet sich, wie schon die Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr, der Schweiz. Genauer: Der Schweiz und ihrer viersprachigen Literaturlandschaft, zu der neben den deutschen, französischen und italienischen SchriftstellerInnen eben auch die rätoromanischen AutorInnen zählen. Damit setzt die von der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia organisierte Literaturwoche erneut einen Länderschwerpunkt, wie es bereits in den vergangenen Jahren mit Afrika, Rußland und den USA der Fall war.
Nach einem einführenden Vortrag des Publizisten und Autors Iso Camartin, der einen Überblick über die SchriftstellerInnen der viersprachigen Schweiz gibt (27.1, 20. Uhr, Domkapitelsaal), wird das Urs-Widmer-Special eingeläutet. Widmer wird aus seinem Werk „Vor uns die Sinflut“ lesen. Anschließend zeigt das Schauspielhaus die aktuelle Inszenierung des Widmer-Stücks „Top Dogs“, woran sich ein Publikumsgespräch mit dem Autor anschließt (28.1., ab 18 Uhr, im Schauspielhaus).
Die vermutlich kaum jemandem vertraute rätoromanische Schweiz präsentiert sich tags darauf im Packhaustheater. Leo Tuor, Schafhirte und Autor aus dem Kanton Graubünden, liest aus seinem Roman „Giacumbert Nau“, der sich dem kargen Hirtenleben auf der Hochalp widmet. Linard Bardill, ein rätoromanischer „Liederer“, verbindet Poesie und Musik. Corin Curschellas schließlich komplettiert das Trio durch ihre „Voices of Rumantsch“, einem Mix aus Lesung und experimenteller Musik aus den Bereichen Jazz, Hip Hop und Blues (20 Uhr). Offenbar sind die RätoromanInnen nicht nur sprachlich ein außergewöhnliches Völkchen. Übrigens: Alle AutorInnen sprechen deutsch.
Die italienisch- und französischsprachige Schweiz steht im Mittelpunkt der Lesung mit Fleur Jaeggy, Alberto Nessi und Daniel de Roulet. Nessi liest aus seinem Roman „Die Wohnwagenfrau“, Jaeggy stellt „Die Angst vor dem Himmel“ vor. de Roulet präsentiert „Double“, einen autobiographisch gefärbten Roman, der sich auf den „Fichen-Skandal“ bezieht, der vor zehn Jahren die Schweiz erschütterte. Damals war bekannt geworden, daß etwa ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung von der Polizei bespitzelt wurde, unter ihnen auch de Roulet (30.1., 20 Uhr, Packhaus). An diese letzte Lesung schließt sich ein hochkarätiges Konzert der Schweizer Jazzerinnen Irène Schweizer (p) / Co Streiff (sax) an (23 Uhr). Erstmals wurde in die Literarische Woche ein spezielles Angebot für Kinder aufgenommen. Lukas Hartmann liest Geschichten, die Bremer Kinder über alte Menschen geschrieben haben (31.1., 13 Uhr, Packhaus).
Ubrigens: Wenn der Rätoromane „bun di“ sagt, will er nicht mit einem frustrierten Schuhverkäufer mit Vornamen Al reden, sondern ist schlicht höflich und wünscht einen „Guten Tag“. Nun denn, wünschen wir auch: „bun di“. zott
Das Programmheft liegt an vielen Stellen aus. U.a. in den Buchhandlungen Humboldt (O-weg 76), Büchergilde (Breitenweg 3) und Wassmann (Am Wall 164) liegen alle erwähnten Bücher aus
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