: Häme ist fatal und selbstgerecht –betr.: „Normalzustand Krieg?“ von Angelika Beer, taz vom 12.1.99, „Flucht nach vorn“ von Jürgen Gottschlich, taz vom 16./17.1.99
Der aktuelle Größenwahn und die erneute Angriffslust von Saddam Hussein nach dem fehlgeschlagenen Luftangriff der USA sollte endgültig klarmachen, wer hier zu stoppen ist, wem hier entschlossen(er) entgegen getreten werden muß: Nicht den USA, sondern dem weltpolitischen Hasardeur aus Bagdad. Einmal mehr zeigt er, daß ihm an Frieden, Verständigung, an fairer Kontrolle durch die UNO (Chirac- Vorschlag), ja nicht mal an der Versöhnung mit seinen arabischen „Brüdern“ nur im Ansatz gelegen ist. Auch lassen sich die Giftgasopfer in Halabjah und die Foltertoten des Diktators nicht gegen die Opfer des von der UNO verhängten Embargos ausspielen. [...] Die Opferperspektive verdeckt aber auch das zentrale Manko der USA-kritischen Argumentation: die immer wieder und auch jetzt erneut bewiesene Undurchsetzbarkeit einer friedfertigen auf Verhandlung und Nachgeben orientierten Strategie. Es gibt dafür auf irakischer Seite einfach keinen Gegenpart, solange Hussein an der Macht ist.
Die USA sind, wer wüßte das nicht, eine imperialistische Macht mit eigenen nationalen Interessen. Das sind aber mehr oder weniger auch die kleineren oder schwächeren Weltmächte, die sie zur Zeit eben deswegen kritisieren. Aber die USA sind a) eine traditionell demokratisch gelenkte Großmacht, die sich b) in ihrer ganzen Geschichte nie gänzlich aus dem Verbund der demokratischen Völker verabschiedet hat. Und sie ist zur Zeit leider die einzig handlungsfähige. Was sie natürlich auch zu Handlungsfehlern verführt. Der Fehler liegt aber nicht darin, daß sie den Irak – notfalls mit Gewalt – in die Schranken verweist. Der Fehler ist die Inkonsequenz mit der sie das bisher getan hat, und an dieser Inkonsequenz sind auch ihre Kritiker schuld bzw. der politische Wille der USA, sich eben nicht aus dem Völkerverbund zu verabschieden. Die Häme über den letzten Fehlschlag der USA ist deswegen fatal und selbstgerecht. Ebenso die Tränen über die Opfer einer auf den Sturz des Diktators gerichteten Strategie. Sie werden nämlich zu Krodkodilstränen, wenn nicht zugleich gesagt wird, wie die Opfer eines weiteren unentschlossenen und möglicherweise viele Jahre dauernden Abwartens und „Verhandelns“ begrenzt oder besser noch ganz verhindert werden können. Arnold Voß, Herne
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