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Störfall Bonn–Paris

■ Scharfe Töne aus Frankreich: Premierminister Jospin fordert Entschädigung, falls Deutschland die Verträge mit der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague aufkündigt

Berlin/Paris (taz/AFP/dpa) – Der Streit um Entschädigungen für den Stopp der Wiederaufarbeitung eskaliert zum diplomatischen Störfall. Erstmals verlangte gestern auch Frankreichs Premierminister Lionel Jospin Entschädigung von deutscher Seite für das Aufkündigen der Verträge mit der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in La Hague. „Würden die Regierungswechsel zu einem Fall von höherer Gewalt, um internationale Verträge in Frage zu stellen“, erklärte der sozialistische Regierungschef in Paris, „hätten wir Stabilitätsprobleme auf der Ebene internationaler Beziehungen.“

Der La-Hague-Betreiber Cogema beziffert seine Verluste bei einer Aufkündigung der Verträge auf neun Milliarden Mark. Jospin sprach sich dafür aus, daß die beim Potsdamer Gipfel vereinbarte neue Arbeitsgruppe beider Länder bald zu diesem Thema zusammentritt. Im deutschen Außenministerium reagierte man befremdet auf Jospins Vorstoß. Mit solchen Äußerungen werde die neue gemeinsame Arbeitsgruppe unnötig belastet.

Im Gegensatz zu Frankreich sprach die britische Regierung offiziell nicht von Entschädigung. Trotz des diplomatischen Tons gab sich der britische Industrieminister Stephen Byers in der Sache ebenfalls hart gegenüber Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Byers erklärte, Deutschland allein sei für die durch die Vertragskündigung anfallenden Kosten verantwortlich. Man sei außerdem nicht bereit, die WAA in Sellafield im Nordwesten Englands für die Dauerlagerung nuklearer Brennstäbe aus Deutschland nutzen zu lassen. Die Financial Times schrieb gestern unter Berufung auf „Experten“, die Rücknahme der Brennelemente sowie die Auszahlung der britischen Wiederaufarbeitungsfirma BNFL werde Deutschland 1,4 Milliarden Mark kosten. Derweil verteidigte Trittin gestern im Bundestag die deutsche Position. Der Stopp der Wiederaufarbeitung durch die Bundesregierung sei aus Sicht der Energiekonzerne ein Fall von höherer Gewalt. Diese könnten daher ihre Verträge kündigen, ohne Entschädigungen zahlen zu müssen.

Eine Experten-Stellungnahme aus dem Justizministerium widerspricht unterdessen der Position Trittins. Laut dpa geht aus dem Papier hervor, daß auch ein gesetzlich verfügter Stopp der Wiederaufarbeitung eine Verletzung von völkerrechtlichen Verpflichtungen darstelle. urb Berichte Seite 2

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